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Eigenbedarf für Großneffe nur in Ausnahmefällen

AG Fürstenfeldbruck, Az.: 5 C 364/19

Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs zugunsten eines Großneffen ist nur in Ausnahmefällen möglich. Das hat das Amtsgericht Fürstenfeldbruck entschieden.

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Ein Grund für eine Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann sein, dass Verwandte das Eigentum nutzen wollen. Dabei spielt jedoch der Grad der Verwandtschaft eine Rolle.

Eine Kündigung zugunsten eines Großneffen ist dabei in aller Regel nicht möglich. Zwar sei, so das AG Fürstenfeldbruck, eine Eigenbedarfskündigung auch zugunsten eines entfernteren Verwandten denkbar, allerdings muss der Vermieter dann ein besonderes und herausgehobenes Näheverhältnis nachweisen.

Das gab es vorliegend nicht. Der Vermieter konnte nicht belegen, dass eine enge soziale Verbundenheit zu seinem Großneffen bestand oder er moralisch zur Fürsorge verpflichtet gewesen wäre.

Das Besitzrecht des Mieters wog daher nach einer erfolgten Güterabwägung schwerer als das Eigentumsrecht des Vermieters.

Quelle: Eigenheimer aktuell, Ausgabe Oktober 2020

Fußgänger haben Vorrang gegenüber Segways

OLG Koblenz, Beschluss vom 16.04.2019 – 12 U 692/18

Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen wie z.B. Segways müssen auf einem kombinierten Fuß- und Radweg den Fußgängern Vorrang gewähren. Kommt es zum Unfall kann ein etwaiges Mitverschulden des Fußgängers dann unter Umständen zurücktreten. Demnach muss das Fahrzeug auch angehalten werden, wenn ein Fußgänger nicht auf Warnsignale reagiert. Das hat das OLG Koblenz entschieden.

Sachverhalt

Eine Segway-Fahrerin hatte als Teil einer Gruppe von Segway-Fahrern einen kombinierten Geh-/Radweg befahren. Der Beklagte war dort als Fußgänger unterwegs und gerade damit beschäftigt Fotos zu fertigen.

Als dieser rückwärtsging, stießen Klägerin und Beklagter zusammen, worauf die Klägerin mit ihrem Segway stürzte. Sie hat im Prozess angegeben, sich durch den Sturz erheblich verletzt zu haben, wobei es auch zu Folgeerkrankungen gekommen sei. Der Beklagte schulde daher unter anderem die Zahlung eines Schmerzensgeldes.

Das Landgericht wies die Klage bereits mit der Begründung ab, dass die Klägerin den Unfall verschuldet habe, weil sie auf den Beklagten als Fußgänger nicht hinreichend Rücksicht genommen und hierdurch ihre Pflichten als Fahrzeugführerin erheblich verletzt habe. Eine Haftung des Beklagten scheide daher aus.

Entscheidungsgründe

Das OLG Koblenz hat die Entscheidung des Landgerichts bestätigt.

Maßgebend war hierbei, dass nach der Gesetzeslage der Beklagte als Fußgänger auf dem kombinierten Fuß- und Radweg absoluten Vorrang gegenüber der Beklagten gehabt habe (§ 7 Abs. 5 Mobilitätshilfenverordnung; zwischenzeitlich neu geregelt in § 11 Abs. 4 Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung).

Der Beklagte habe sich daher nicht fortwährend nach Verkehrsteilnehmern, die die Strecke befahren durften, umschauen müssen. Er habe vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass die den Weg befahrenden Verkehrsteilnehmer auf ihn Acht geben, also ihre Fahrweise und -geschwindigkeit anpassen, durch Warnsignale rechtzeitig auf sich aufmerksam machen und sicherstellen, dass diese Warnsignale auch rechtzeitig von ihm wahrgenommen und verstanden werden.

Hierzu sei, wenn erforderlich, Blickkontakt herzustellen oder auf andere Weise eine Verständigung zu suchen gewesen. Achte oder reagiere ein Fußgänger nicht auf Warnsignale, müsse das Fahrzeug angehalten werden, wenn nur so eine Behinderung oder Gefährdung des Fußgängers vermieden werden könne.

Diese erhöhten Sorgfaltspflichten habe die Klägerin nicht beachtet, da sie auch nach ihrem eigenen Vortrag nicht sicher war, dass der Beklagte sie wahrgenommen hatte. Die Beklagte treffe aufgrund dieses Versäumnisses ein so hohes Verschulden am Zustandekommen des Unfalles, dass ein etwaiges Mitverschulden des Beklagten (unachtsames Rückwärtsgehen) zurücktrete.

Quelle: Pressemitteilung – OLG Koblenz vom 27.09.2019

Als Cannabis-Patient ist Autofahren möglich

VG Düsseldorf, Urteil vom 24.10.2019 – 6 K 4574/18

Der Rhein-Kreis Neuss hat die beantragte Fahrerlaubnis eines Cannabis-Patienten zu Unrecht abgelehnt. Das hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschieden und der gegen den Ablehnungsbescheid der Fahrerlaubnisbehörde gerichteten Klage stattgegeben. Ein MPU-Gutachten hatte dem Kläger eine ausreichende psycho-physische Leistungsfähigkeit attestiert.

Sachverhalt

Das dem Rhein-Kreis Neuss im Rahmen des Neuerteilungsverfahrens vorgelegte medizinisch-psychologische Gutachten gelangte zwar zu dem Ergebnis, dass der Kläger im Falle einer erteilten Fahrerlaubnis die Einnahme von Medizinal-Cannabis und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht werde trennen können.

Zugleich attestierte es ihm jedoch seine psycho-physische Leistungsfähigkeit unter Cannabiswirkung.

Entscheidungsgründe

Das OLG stellte fest, dass der Medizinal-Cannabis-Patient auf Grund der Einschätzungen des Gutachtens einen Anspruch auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis hat.

Anders als bei illegalem Cannabiskonsum könne derjenige, der ärztlich verschriebenes Medizinal-Cannabis einnehme, zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Er könne eine Fahrerlaubnis erhalten, wenn er auch unter der Wirkung von Medizinal-Cannabis ausreichend leistungsfähig sei, um ein Kraftfahrzeug sicher zu führen.

Bei einer Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis komme es für die Frage der Fahreignung darauf an, ob der Betroffene

  • Cannabis zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung einnimmt,
  • keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind,
  • die Grunderkrankung für sich genommen der sicheren Verkehrsteilnahme nicht im Wege steht und
  • der Betroffene verantwortlich mit dem Medikament umgeht, insbesondere nicht fährt, wenn die Medikation verändert wird.

Aus dem vorgelegten medizinisch-psychologischen Gutachten ergebe sich in nachvollziehbarer Weise, dass der Kläger diese Voraussetzungen erfülle.

Dem Medizinal-Cannabis-Patient dürfe nicht von vornherein auferlegt werden, sich regelmäßig erneut untersuchen zu lassen. Die Fahrerlaubnisbehörde könne ihn aber wegen der möglicherweise schädlichen Langzeitwirkung von dauerhafter Cannabiseinnahme in einiger Zeit auffordern, seine fortbestehende Eignung wieder nachzuweisen.

Gegen das Urteil kann der Rhein-Kreis Neuss beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Zulassung der Berufung beantragen.

Quelle: Pressemitteilung – VG Düsseldorf vom 24.10.2019

Zur Tierhalterhaftung bei Aufeinandertreffen mehrerer Hunde

Landgericht Osnabrück, Urteil vom 23.09.2019 – 8 O 1022/19

Treffen mehrere Hunde aufeinander, sind die Reaktionen der Tiere nicht vorhersehbar. Zwar haftet ein Tierhalter immer dann, wenn es durch das spezielle tierische Verhalten seines Haustiers zu einer Verletzung Dritter kommt. Aber nach einem Urteil des Landgerichts Osnabrück reicht die bloße Anwesenheit eines Hundes nicht, um eine Haftung gegenüber einem anderen Hundehalter zu begründen.

Sachverhalt

Im konkreten Fall hatte eine ältere Frau aus Quakenbrück auf Schmerzensgeld geklagt. Sie machte geltend, sie sei im Sommer 2016 mit ihrem Hund, einem kleinen Terrier oder Terrier-Mischling, spazieren gegangen. Plötzlich habe sie der Hund des Beklagten, ein Rottweiler, angesprungen. Dadurch sei sie zu Fall gekommen und erheblich verletzt worden.

Der beklagte Hundehalter selbst war bei dem Vorfall nicht anwesend. Die Zeugin, die seinen Rottweiler an jenem Tag betreute, schilderte den Vorfall jedoch anders. Zwar sei der Hund des Beklagten tatsächlich zunächst in Richtung der Klägerin gelaufen, die daraufhin ihren Hund auf den Arm genommen habe.

Der Rottweiler habe die Klägerin jedoch nicht angesprungen, sondern sei zu einem Baum gelaufen, wo er sein „Geschäft“ verrichtet habe. Sie habe den Rottweiler dann angeleint und mit ihm weggehen wollen. In diesem Moment habe die Klägerin ihren Terrier wieder auf den Boden gesetzt.

Dieser sei dann plötzlich mehrfach um die Klägerin gelaufen, die sich dadurch in der Hundeleine verwickelt habe und zu Fall gekommen sei.

Entscheidungsgründe

Das Landgericht Osnabrück hat die Klage abgewiesen.

Das Gericht schenkte der Sachverhaltsschilderung der Zeugin Glauben, die den Rottweiler betreut hatte. Auf Grundlage ihrer Schilderung ergebe sich keine Haftung des Beklagten als Halter des Rottweilers.

Zwar hafte ein Tierhalter immer dann, wenn es durch das spezielle tierische Verhalten seines Haustiers zu einer Verletzung Dritter komme. Davon könne hier aber keine Rede sein. Die bloße Anwesenheit des Rottweilers reiche nicht, um eine Haftung gegenüber der klagenden älteren Dame zu begründen.

Unmittelbar zu Fall gebracht habe diese ihr Terrier, als er mit der Leine um sie herumgelaufen sei. Um eine Haftung des Halters des Rottweilers annehmen zu können, hätte aber mindestens feststellbar sein müssen, dass der Hund des Beklagten durch ein wie immer geartetes Verhalten den Hund der Klägerin zu diesem Verhalten provoziert hatte.

Das war aus Sicht der Kammer nicht der Fall. Die bloße Anwesenheit des Rottweilers genügte dagegen in den Augen der Kammer nicht, eine Haftung seines Halters zu begründen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat die Möglichkeit, dagegen mit der Berufung zum Oberlandesgericht Oldenburg vorzugehen.

Quelle: Pressemitteilung – LG Osnabrück vom 11.10.2019

Leichte Absplitterungen an Küchenmöbeln gehören zum vertragsgemäßen Gebrauch

AG Bad Homburg – 9 C 273/16-11

Substanzschäden an Küchenmöbeln halten sich dann im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs, wenn sie der vertragsgemäßen Abnutzung entsprechen.

Sachverhalt

In dem gegenständlichen Fall wollte ein Vermieter Schadenersatz von einer ausgezogenen Familie mit kleinen Kindern, weil an den Küchenfronten Lackabsplitterungen festgestellt wurden.

Entscheidungsgründe

Das Gericht ging jedoch davon aus, dass sich im Rahmen des alltäglichen Lebens solche Schäden nicht vermeiden lassen. Glatte Oberflächen an Möbeln seien bekanntermaßen kratz- und stoßempfindlich. Leichte Stöße bzw. Anstöße an der Küchenfront seien im Alltag, etwa beim Einräumen von Geschirr, kaum zu vermeiden.

Die auf Schadenersatz gerichtete Klage des Vermieters wurde daher abgewiesen.

Quelle: Pressemitteilung – AG Bad Homburg

Kein Schadensersatzanspruch des Vermieters bei gewöhnlichen Gebrauchsspuren

AG Wiesbaden, Urteil vom 06.12.2018 – 93 C 2206/18

Das Landgericht Wiesbaden hat das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden über eine Schadensersatzklage eines Vermieters bestätigt. Demnach hat ein Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses keinen Ersatzanspruch gegen den Mieter wegen gewöhnlicher Gebrauchsspuren in der Wohnung. Im Streitfall ging es um Einkerbungen im Laminatboden und Verfärbungen des Teppichbodens.

Sachverhalt

Nach Beendigung des 14 Jahre dauernden Mietverhältnisses und nach dem Auszug des Mieters, machte der Vermieter mit seiner Klage Schadensersatzansprüche wegen Beschädigungen an der Mietwohnung geltend.

Er trug in der Klageschrift vor, der in der Wohnung verlegte Laminatboden habe mehrere Einkerbungen aufgewiesen und der Teppichboden zahlreiche Verfärbungen. Hierbei handle es sich nicht um Gebrauchsspuren, sondern um ersatzfähige Beschädigungen. Die Lebensdauer solcher Bodenbeläge liege bei weit über 15 Jahren.

Demgegenüber vertrat der Beklagte die Auffassung bei den geltend gemachten Schäden an den Böden, handle es sich um Gebrauchsspuren, die nicht ersatzfähig seien.

Entscheidungsgründe

Der Richter des Amtsgerichts Wiesbaden begründet sein Urteil damit, dass es sich bei dem verlegten Laminatboden um einen solchen von einfacher Qualität gehandelt habe.

Die Einkerbungen im Boden stellten bei einem Laminatboden einfacher Qualität, nach 14 Jahren der Nutzung, gewöhnliche Abnutzungserscheinungen und keine ersatzfähigen Schäden dar. Es handle sich um gewöhnliche Verschleißerscheinungen.

Die wirtschaftliche Lebensdauer eines einfachen Laminatbodens betrage nicht mehr als 14 Jahre. Dies sei der Zeitraum des Mietverhältnisses zwischen den Parteien.

Selbst für den Fall, dass die Einkerbungen als Schäden ansehen würden, müsste ein Abzug „ neu für alt“ vorgenommen werden und hierdurch würde sich der Schadensersatzanspruch des Klägers auf Null reduzieren.

Auch die Kosten für den Austausch des Teppichbodens sind dem Kläger nicht zugesprochen worden, da auch hier, selbst bei Vorliegen eines hochwertigen Teppichbodens, eine durchschnittliche Lebensdauer von 10 Jahren angenommen worden ist. Damit hat das Gericht die Verfärbungen des mindestens 14 Jahre alten Teppichbodens ebenfalls als gewöhnliche Abnutzungserscheinungen gewertet.

Das Gericht stellte weiterhin fest, dass Instandhaltungsmaßnahmen an der Mietsache, die in einem Zeitraum von 14 Jahren naturgemäß anfallen, als nicht ersatzfähige Sowieso-Kosten gelten. Hierzu gehöre etwa das Abschleifen, Grundieren und Lackieren einer Holztreppe, die Gebrauchsspuren aufweise.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Wiesbaden ist durch das Landgericht Wiesbaden mit Beschluss vom 28.05.2019 bestätigt worden.

Quelle: Pressemitteilung – AG Wiesbaden vom 02.09.2019