0941 / 5841-542 kanzlei@ra-winkelmeier.de

Abschleppkosten bei nachträglich aufgestellten Haltverbotsschildern nur mit Vorlaufzeit von mind. 3 Tagen

BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 – 3 C 25.16

Wird ein zunächst erlaubt geparktes Kfz aus einer nachträglich eingerichteten Haltverbotszone abgeschleppt, müssen die Kosten nur übernommen werden, wenn das Verkehrszeichen mit einer Vorlaufzeit von mindestens drei vollen Tagen aufgestellt wurde. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden und damit dem OVG NRW widersprochen, wonach ein Vorlauf von 48 Stunden ausreichend sein soll.

Sachverhalt

Die Klägerin stellte ihr Fahrzeug am 19.08.2013 vor dem Nachbarhaus ihrer Wohnung in Düsseldorf ab und flog anschließend in den Urlaub. Am Vormittag des darauffolgenden Tages wurden in diesem Straßenabschnitt zur Vorbereitung eines privaten Umzugs zwei mobile Haltverbotsschilder für den Zeitraum vom 23. bis zum 24.08., jeweils von 7:00 bis 18:00 Uhr, aufgestellt.

Am Nachmittag des 23.08.2013 beauftragte ein Mitarbeiter der beklagten Stadt ein Abschleppunternehmen mit der Entfernung des Fahrzeugs. Dort holte es die Klägerin am 5. September 2013 gegen Zahlung von 176,98 € ab. Die beklagte Stadt setzte für den Vorgang überdies eine Verwaltungsgebühr i.H.v. 62 € fest. Die auf Erstattung der an den Abschleppunternehmer gezahlten Kosten und Aufhebung des Gebührenbescheids gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Entscheidungsgründe

Das Bundesverwaltungsgericht hat der Klage im Revisionsverfahren stattgegeben.

Obwohl der Normgeber das Parken im öffentlichen Straßenraum grundsätzlich unbefristet zugelassen hat, ist das Vertrauen in die Möglichkeit des dauerhaften Parkens an einer konkreten Stelle beschränkt. Der Verantwortliche muss daher Vorsorge für den Fall einer Änderung der Verkehrslage treffen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits im Jahr 1996 entschieden, dass ein Fahrzeug jedenfalls am vierten Tag nach Aufstellen des Verkehrszeichens kostenpflichtig abgeschleppt werden kann.

Im Anschluss hieran hatten die Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe der meisten Bundesländer entschieden, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ein Vorlauf von drei vollen Tagen aber auch mindestens erforderlich ist, das Fahrzeug also frühestens am vierten Tag nach dem Aufstellen des Verkehrszeichens auf Kosten des Verantwortlichen abgeschleppt werden kann. Diese Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht bestätigt.

Der vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vertretenen Auffassung, dass ein Vorlauf von 48 Stunden ausreichend und verhältnismäßig sei, weil die Straßenverkehrsbehörden anderenfalls auf Änderungen der Verkehrslagen nicht hinreichend flexibel reagieren könnten, ist das Gericht nicht gefolgt.

Zum einen ist die Möglichkeit, erforderliche Abschleppmaßnahmen tatsächlich durchführen zu können, nicht von der Frage abhängig, von wem die Kosten hierfür getragen werden müssen. Zum anderen ist nicht erkennbar, dass die seit zwanzig Jahren in den übrigen Bundesländern praktizierte Vorlauffrist zu Funktionsdefiziten geführt hätte.

Die Erforderlichkeit von Haltverbotsregelungen – etwa aus Anlass von Bauarbeiten, Straßenfesten oder Umzügen – ist regelmäßig auch im großstädtischen Raum deutlich vorher bekannt. Ausgehend hiervon würde die Obliegenheit, mindestens alle 48 Stunden nach dem abgestellten Fahrzeug zu schauen, die Verkehrsteilnehmer unangemessen belasten. Angemessen ist vielmehr ein Vorlauf von drei vollen Tagen. Eine stundenscharfe Berechnung des Vorlaufs wäre für den Verantwortlichen des Fahrzeugs schwer zu handhaben.

Im vorliegenden Fall waren die Verkehrszeichen mit einem Vorlauf von 72 Stunden, nicht aber von drei vollen Tagen aufgestellt worden. Auf Kosten der Klägerin hätte das Fahrzeug frühestens am vierten Tag nach Aufstellung der Schilder, also am 24.08.2013 abgeschleppt werden können.

Quelle: Pressemitteilung – BVerwG vom 24.05.2018

MPU bei betrunkenem Fußgänger

VG Neustadt a.d. Weinstraße, Beschluss vom 16.6.2015 – 1 L 442/15.NW

Ist die Fahrerlaubnis wegen eines Alkoholdelikts entzogen und nachfolgend wiedererteilt worden, weil der Fahrerlaubnisinhaber im Rahmen einer medizinisch psychologischen Untersuchung glaubhaft machen konnte, dass er künftig nur noch kontrolliert Alkohol trinkt (anlassbezogen und bis zu einer bestimmten Höchstmenge), sind erneut Zweifel an seiner Fahreignung gerechtfertigt, wenn er rund drei Jahre später mit einer Atemalkoholkonzentration von 1,79 ‰ orientierungslos zu Fuß auf einer Autobahn, in Schlangenlinien laufend von der Polizei aufgegriffen wird.

Die Fahrerlaubnisbehörde darf diese Zweifel, ob der Betroffene in den früheren missbräuchlichen Alkoholkonsum zurückgefallen ist, durch erneute Anordnung eines medizinisch psychologischen Gutachtens klären.

Sachverhalt

Dem Antragsteller war, nach Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen eines Alkoholdelikts, diese im Anschluss an eine positiv verlaufene medizinisch-psychologische Begutachtung im Jahr 2011 wiedererteilt worden. Im Rahmen der Untersuchung wurde ausführlich auf den vorangegangenen Alkoholmissbrauch eingegangen, konkret: auf die Frage, ob der Antragsteller künftig in der Lage sein würde, zu einem kontrollierten Trinkverhalten zurückzufinden und Fahren vom Alkoholkonsum zu trennen. Der Antragsteller hatte insoweit auch vorgetragen, er werde künftig nur noch zu bestimmten Anlässen Alkohol konsumieren und bestimmte Alkoholmengen nicht überschreiten. Auf Grundlage dieser Angaben des Antragstellers sah die Begutachtungsstelle keine Gefahr von Überkonsum und Kontrollverlusten. Am 14.2.2015 wurde der Antragsteller, der als Fußgänger auf der Autobahn nach Hause unterwegs war, von der Verkehrspolizei aufgegriffen. Die gemessene Blutalkoholkonzentration betrug 1,79 ‰, zudem war der Antragsteller orientierungslos und lief in Schlangenlinien.

Die zuständige Straßenverkehrsbehörde nahm diesen Vorfall zum Anlass, den Antragsteller erneut zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens aufzufordern. Dies wurde mit der Befürchtung begründet, der Antragsteller könnte in seinen früheren Alkoholmissbrauch zurückgefallen sein. Nachdem der Antragstellers dieser Aufforderung nicht nachkam, entzog die Behörde die Fahrerlaubnis wegen nicht ausgeräumter Zweifel auf der Grundlage von §§ 11 Abs. 8, 46 FeV.

Entscheidungsgründe

Das VG lehnte den Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ab. Nach Auffassung der Kammer durfte die Behörde, in Anbetracht des früheren Alkoholmissbrauchs des Antragstellers, eine MPU-Anordnung erlassen. Da dieser rechtmäßigen Anordnung nicht Folge geleistet worden sei, habe die Behörde die Fahrerlaubnis unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 8 FeV entziehen dürfen.

Der Umstand, dass der Antragsteller am 14.2.2015 kein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt hatte, schließe eine MPU-Anordnung im konkreten Fall nicht aus. Der Antragsteller habe in der Vergangenheit nachweislich Alkoholmissbrauch betrieben und die MPU im Jahr 2011 vorrangig deshalb bestanden, weil er glaubhaft dargelegt habe, dass er künftig zu kontrolliertem Trinken übergehen werde.

Der jetzige Vorfall sei Anlass für die Besorgnis, dass der Antragsteller in sein früheres Missbrauchsverhalten zurückgefallen sein könnte. Zudem sei von ihm als Fußgänger auf der Autobahn eine erhebliche Gefahr auf den Verkehr ausgegangen, d.h. auch ein gewisser Verkehrsbezug liege vor.

Quelle: RA Dr. Michael Pießkalla, LL.M. Eur., München

Kein gültiger EU-Führerschein bei Wohnsitzverstoß

Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 22.02.2016 – 1 L 270/16.TR

Eine tschechische Fahrerlaubnis berechtigt nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland, wenn dessen Inhaber dort zum Zeitpunkt der Ausstellung keinen ständigen Wohnsitz hatte. Auch die zwischenzeitliche Erteilung einer „Fahrerkarte“ steht einer Untersagung nicht entgegen, wenn der Wohnsitzverstoß später bekannt wird. Das hat das Verwaltungsgericht Trier entschieden.

Sachverhalt

Dem Antragsteller wurde 1997 wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen. Die 2005 in den Niederlanden erworbene Fahrerlaubnis hat der Antragsteller 2006 in Tschechien in einen tschechischen Führerschein umgetauscht. Mit diesem Führerschein hat der Antragsteller in der Folge in der Bundesrepublik Deutschland als Lkw-Fahrer gearbeitet.

Nachdem die Führerscheinstelle im Oktober 2015 durch das tschechische Verkehrsministerium Mitteilung darüber erhalten hat, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Erteilung des tschechischen Führerscheines dort keinen Wohnsitz hatte, stellte der Landkreis fest, dass der Antragsteller in Deutschland nicht mit der tschechischen Fahrerlaubnis fahren dürfe und beabsichtigte nach der Vorlage des Führerscheines dort einen Sperrvermerk anzubringen. Gleichzeitig wurde der sofortige Vollzug dieser Feststellung angeordnet.

Entscheidungsgründe

Das Verwaltungsgericht Trier hat die Entscheidung der Führerscheinstelle bestätigt.

Zur Begründung wies das Gericht daraufhin, dass der Antragsteller nach der einschlägigen Fahrerlaubnisverordnung nicht berechtigt sei mit einer tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Fahrzeuge zu führen, da er zum Zeitpunkt des Erwerbs des tschechischen Führerscheines nicht in Tschechien gewohnt habe, sondern in der Bundesrepublik Deutschland.

Dass der Antragsteller nicht in Tschechien gewohnt habe stehe aufgrund der Mitteilung des Ausstellerstaates fest. Auch könne die Führerscheinstelle dem Antragsteller entgegenhalten, dass diesem in der Bundesrepublik Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen worden sei, denn dieser Eintrag sei im Fahreignungsregister noch nicht getilgt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Feststellung sei ebenfalls nicht zu beanstanden.

Zwar habe die Führerscheinstelle bereits seit einigen Jahren Kenntnis von der Existenz des tschechischen Führerscheines und habe dem Antragsteller eine sogenannte „Fahrerkarte“ erteilt. Jedoch habe sie erst im Oktober 2015 von dem hier maßgeblichen Wohnsitzverstoß erfahren. Des Weiteren bestehe ein dringendes öffentliches Interesse an der sofortigen Unterbindung der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr.

Selbst wenn der Antragsteller seit Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis im Straßenverkehr nicht auffällig geworden sei, komme dem keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass ein ungeeigneter Kraftfahrer selbst bei hohen Fahrleistungen aufgrund der geringen Kontrolldichte und der demgemäß hohen Dunkelziffer von Delikten im Straßenverkehr jahrelang unauffällig bleiben könne. Gleichwohl könne sich aber die von ihm ausgehende Gefahr für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer jederzeit realisieren.

Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten innerhalb von zwei Wochen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.

Quelle: Pressemitteilung – VG Trier vom 29.02.2016

Abermals zur Höhe der Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten

OLG Hamm, Urteil vom 18.03.2016 – 9 U 142/15

Sind bei der Abwicklung eines Verkehrsunfallschadens Mietwagenkosten nach dem angemessenen Normaltarif zu schätzen, ist als Schätzungsgrundlage auf den Mittelwert der Marktpreiserhebungen nach der „Schwacke-Liste“ und dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel abzustellen (Modell „Fracke“). Das hat das OLG Hamm entschieden und damit eine Streitfrage in der obergerichtlichen Rechtsprechung beantwortet.

Sachverhalt

OLG Hamm hatte einen Verkehrsunfall zu beurteilen, der sich im August 2014 in Bielefeld ereignet hatte. Der mit seinem Pkw Toyota von der Hauptstraße nach links in die Berliner Straße abbiegende, seinerzeit 61 Jahre alte Kläger aus Bielefeld kollidierte im Kreuzungsbereich mit dem entgegenkommenden Pkw Mercedes des seinerzeit 24 Jahre alten Beklagten aus Bielefeld, der unter Befahren einer Sperrfläche in den Kreuzungsbereich eingefahren war.

Entscheidungsgründe

Aufgrund des verbotswidrigen Befahrens der Sperrfläche sei dem Beklagten eine 70%ige Haftung zuzuschreiben.

Bei der Bemessung der Schadenshöhe von insgesamt ca. 11.250 € hatte der Senat zu beurteilen, ob die in dieser Schadenssumme mit 828 € enthaltenen Mietwagenkosten gerechtfertigt waren.

Der Kläger habe, so der Senat zu der Schadensposition der Mietwagenkosten, nicht konkret nachgewiesen, dass er beim Anmieten des genutzten Ersatzfahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügt habe. Sein diesbezüglicher Schaden sei deswegen nach dem angemessenen Normaltarif zu schätzen, wobei es darauf ankomme, zu welchen Konditionen der Kläger einen Mietwagen erlangt hätte, wenn er dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprochen hätte.

Bei der hier gebotenen Schätzung könne der Tatrichter auf die Marktpreiserhebungen nach der „Schwacke-Liste“ oder nach dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel zurückgreifen. Beide Marktpreiserhebungen seien nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH, die dieser insoweit als nicht weiter klärungsbedürftig ansehe, grundsätzlich geeignete Schätzungsgrundlagen.

Bei der obergerichtlich umstrittenen Frage, auf welche Marktpreiserhebung abzustellen sei, bevorzugt das OLG Hamm die Mittelwertlösung „Fracke“. Die unterschiedlichen Erhebungsmethoden beider Auswertungen, die Erhebung des Fraunhofer Instituts beruhe im Wesentlichen auf einer anonymen Internetabfrage, die Schwacke-Erhebung auf einer nicht anonymisierten, aber örtlich genaueren Anbieterabfrage, hätten Vor- und Nachteile, die es dem Senat als sachgerecht erscheinen ließen, keine der Listen isoliert heranzuziehen, sondern auf ihren Mittelwert abzustellen.

Im vorliegenden Fall sei nach der „Schwacke-Liste“ ein Tarif von 1.142,52 € und nach dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel ein Wert von 490,51 € zu ermitteln. Der Mittelwert hieraus (816,52 €) weiche nur unerheblich von den angefallenen Mietwagenkosten (828 €) ab, so dass diese als ersatzfähig anzusehen seien.
Ausgehend von der 70%igen Haftungsquote könne der Kläger daher insgesamt ca. 7.900 € Schadensersatz beanspruchen.

Quelle:  Pressemitteilung – OLG Hamm vom 15.04.2016

Fahrtenbuchauflage trotz Zeugnisverweigerungsrecht

VG Neustadt, Beschluss vom 05.07.2016 – 3 L 519/16.NW

Eine Fahrtenbuchauflage kann rechtmäßig sein, wenn der Halter eines Pkw nach einer Geschwindigkeitsüberschreitung bei der Ermittlung des Fahrers nicht ausreichend mitgewirkt hat. Die Fahrtenbuchauflage ist nicht deshalb unzulässig, weil der Halter sich im Ordnungswidrigkeitsverfahren auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen konnte. Das hat das Verwaltungsgericht Neustadt entschieden.

Sachverhalt

Der im Landkreis Germersheim wohnhafte Antragsteller ist Halter eines Kraftfahrzeugs. Mit diesem wurde am 09.01.2016 um 21:05 Uhr in der Innenstadt von Karlsruhe die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaft um mindestens 23 km/h überschritten. Der Verstoß wurde auf einem Lichtbild dokumentiert. Darauf ist eine männliche Person zu erkennen.

Die Bußgeldstelle der Stadt Karlsruhe ermittelte daraufhin den Antragsteller als Fahrzeughalter und übersandte ihm Ende Januar 2016 einen Anhörungsbogen mit dem Fahrerfoto. Nachdem der Antragsteller nicht darauf reagierte, forderte die Bußgeldstelle bei der Verbandsgemeindeverwaltung Kandel das dort einliegende Passbild des Antragstellers zum Abgleich mit dem Beweisfoto an. Dabei ergab sich, dass es sich bei dem Antragsteller nicht um den Fahrzeugführer handelte.

Am 01.04.2016 suchten Beamte der Polizeiinspektion Wörth den Antragsteller auf. Nachdem dieser belehrt und auf sein Zeugnisverweigerungsrecht im Hinblick auf nahe Angehörige hingewiesen worden war, machte der Antragsteller nach Vorlage des Beweisfotos keine Angaben. In der Folgezeit stellte die Bußgeldstelle der Stadt Karlsruhe das gegen den Antragsteller eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren ein.

Mit Bescheid vom 23.05.2016 verpflichtete daraufhin die Kreisverwaltung Germersheim den Antragsteller zur Führung eines Fahrtenbuches für sein Kraftfahrzeug für die Dauer von zwölf Monaten und ordnete die sofortige Vollziehung an. Der Antragsteller hat dagegen Widerspruch eingelegt und Ende Juni 2016 um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht.

Zur Begründung hat er ausgeführt: Zum einen habe der Antragsgegner nicht alle nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen, um den Fahrzeugführer zu ermitteln. Zum anderen müsse berücksichtigt werden, dass er im Bußgeldverfahren berechtigterweise von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe. Der Zeugnisverweigerungsberechtigte solle vor dem inneren Konflikt bewahrt werden, gegen seine Familienangehörigen aussagen zu müssen.

Wäre es aber zulässig, im Nachhinein eine Fahrtenbuchauflage anzuordnen, so würde mittelbar doch ein Aussagedruck entstehen. Er, der Antragsteller, hätte der Maßnahme und den Gebühren, die hier im Ergebnis sogar höher seien als das für die eigentliche Ordnungswidrigkeit zu verhängende Bußgeld, nur durch Verzicht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht entgehen können. Die Fahrtenbuchauflage bewirke auch eine vollständige Aushöhlung des Zeugnisverweigerungsrechts hinsichtlich möglicher zukünftiger Verkehrsverstöße seiner Familienangehörigen.

Entscheidungsgründe

Den Eilantrag des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht mit folgender Begründung abgelehnt:

Die Fahrtenbuchauflage für das Kraftfahrzeug des Antragstellers sei rechtmäßig. Mit dem auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeug sei am 09.01.2016 um 21:05 Uhr den Verkehrsvorschriften zuwider gehandelt worden, indem der Fahrer dieses Fahrzeugs in der Innenstadt von Karlsruhe die innerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 23 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten habe.

Die weitere Voraussetzung zur Anordnung einer Fahrtenbuchauflage, dass der verantwortliche Fahrzeugführer im Zeitpunkt der Begehung des Verkehrsverstoßes nicht habe ermittelt werden können, sei ebenfalls offensichtlich erfüllt. Da der Antragsteller an der Aufklärung nicht mitgewirkt habe, sei es dem Antragsgegner nicht zuzumuten gewesen, wahllos zeitraubende, aber kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer zu betreiben.

Bei dem Verkehrsverstoß vom 09.01.2016 habe es sich auch um einen schwerwiegenden Verstoß gehandelt, der eine Fahrtenbuchauflage rechtfertige. Die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung um 23 km/h (nach Toleranzabzug) stelle einen Verkehrsverstoß dar, der zu einem Eintrag von einem Punkt im Fahreignungsregister geführt hätte.

Der Antragsteller könne als Halter eines Kraftfahrzeugs auch nicht einwenden, die Fahrtenbuchauflage sei unzulässig, weil er sich in dem vorangegangenen Ordnungswidrigkeitsverfahren auf ein Zeugnisverweigerungsrecht habe berufen dürfen. Denn die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, diene der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs und stelle eine Maßnahme der vorbeugenden Gefahrenabwehr dar.

Sie solle auf die dem Fahrzeughalter mögliche und zumutbare Mitwirkung bei der Feststellung des Führers des Kraftfahrzeuges hinwirken, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen worden sei und den Fahrzeughalter zur Erfüllung seiner Aufsichtspflichten anhalten, soweit er andere Fahrer sein Fahrzeug benutzen lasse. Der Antragsteller müsse es sich daher gefallen lassen, dass mit anderen Mitteln – eben der Fahrtenbuchauflage – in Zukunft sichergestellt werde, dass der Täter einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat im Straßenverkehr zur Rechenschaft gezogen werden könne.

Ein doppeltes „Recht“, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitsverfahren die Aussage zu verweigern und trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, bestehe nicht.

Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum  Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.

Quelle: Pressemitteilung – VG Neustadt vom 11.07.2016

BGH zum Fahrlässigkeitsvorwurf beim Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter der Wirkung von Cannabis

BGH, Beschluss vom 14. Februar 2017 – 4 StR 422/15

Zwischen den Oberlandesgerichten war bislang streitig, unter welchen Voraussetzungen der Tatrichter aus der Feststellung einer den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml mindestens erreichenden THC-Konzentration im Blut eines Fahrzeugführers ein objektiv und subjektiv sorgfalts- und damit fahrlässig ordnungswidriges Verhalten im Sinne des § 24a Abs. 2 und 3 StVG folgern darf.

Auf Vorlage des Oberlandesgerichts Oldenburg hat der u.a. für Verkehrsstrafsachen zuständige 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs nunmehr entschieden, dass ein Kraftfahrer nach vorausgegangenem bewussten Konsum von Cannabis verpflichtet ist, vor Antritt der Fahrt durch gehörige Selbstprüfung – soweit erforderlich – nach Einholung fachkundigen Rats und notfalls, sofern eine eindeutige Beurteilungsgrundlage nicht zu erlangen ist, durch Abstandnahme von der Fahrt sicherzustellen, dass er nicht unter der Wirkung einer den analytischen Grenzwert zumindest erreichenden THC-Konzentration im Blut ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt. Der Tatrichter ist auch in Fällen, in denen die Fahrt mit dem Kraftfahrzeug nicht im zeitlichen Zusammenhang mit dem vorausgegangenem Cannabiskonsum erfolgt, aus Rechtsgründen nicht gehindert, beim Fehlen gegenläufiger Beweisanzeichen allein aus der Feststellung einer entsprechenden THC-Konzentration im Blut auf ein nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten zu schließen.

Quelle: Pressemitteilung – BGH vom 04.04.2017