0941 / 5841-542 kanzlei@ra-winkelmeier.de

Als Cannabis-Patient ist Autofahren möglich

VG Düsseldorf, Urteil vom 24.10.2019 – 6 K 4574/18

Der Rhein-Kreis Neuss hat die beantragte Fahrerlaubnis eines Cannabis-Patienten zu Unrecht abgelehnt. Das hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschieden und der gegen den Ablehnungsbescheid der Fahrerlaubnisbehörde gerichteten Klage stattgegeben. Ein MPU-Gutachten hatte dem Kläger eine ausreichende psycho-physische Leistungsfähigkeit attestiert.

Sachverhalt

Das dem Rhein-Kreis Neuss im Rahmen des Neuerteilungsverfahrens vorgelegte medizinisch-psychologische Gutachten gelangte zwar zu dem Ergebnis, dass der Kläger im Falle einer erteilten Fahrerlaubnis die Einnahme von Medizinal-Cannabis und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht werde trennen können.

Zugleich attestierte es ihm jedoch seine psycho-physische Leistungsfähigkeit unter Cannabiswirkung.

Entscheidungsgründe

Das OLG stellte fest, dass der Medizinal-Cannabis-Patient auf Grund der Einschätzungen des Gutachtens einen Anspruch auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis hat.

Anders als bei illegalem Cannabiskonsum könne derjenige, der ärztlich verschriebenes Medizinal-Cannabis einnehme, zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Er könne eine Fahrerlaubnis erhalten, wenn er auch unter der Wirkung von Medizinal-Cannabis ausreichend leistungsfähig sei, um ein Kraftfahrzeug sicher zu führen.

Bei einer Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis komme es für die Frage der Fahreignung darauf an, ob der Betroffene

  • Cannabis zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung einnimmt,
  • keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind,
  • die Grunderkrankung für sich genommen der sicheren Verkehrsteilnahme nicht im Wege steht und
  • der Betroffene verantwortlich mit dem Medikament umgeht, insbesondere nicht fährt, wenn die Medikation verändert wird.

Aus dem vorgelegten medizinisch-psychologischen Gutachten ergebe sich in nachvollziehbarer Weise, dass der Kläger diese Voraussetzungen erfülle.

Dem Medizinal-Cannabis-Patient dürfe nicht von vornherein auferlegt werden, sich regelmäßig erneut untersuchen zu lassen. Die Fahrerlaubnisbehörde könne ihn aber wegen der möglicherweise schädlichen Langzeitwirkung von dauerhafter Cannabiseinnahme in einiger Zeit auffordern, seine fortbestehende Eignung wieder nachzuweisen.

Gegen das Urteil kann der Rhein-Kreis Neuss beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Zulassung der Berufung beantragen.

Quelle: Pressemitteilung – VG Düsseldorf vom 24.10.2019

Fahrt unter Einfluss von Cannabis: Bundesverwaltungsgericht ändert Rechtsprechung

BVerwG, Urt. v. 11.04.2019 – 3 C 13.17, 3 C 14.17, 3 C 7.18, 3 C 2.18, 3 C 8.18 und 3 C 9.18

Bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis führt eine erstmalige Kfz-Fahrt unter Drogeneinfluss nicht unmittelbar zur Entziehung der Fahrerlaubnis. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden und damit seine Rechtsprechung geändert. Bislang mussten auch erstmals auffällige Gelegenheitskonsumenten – ohne vorhergehende MPU – mit einem direkten Fahrerlaubnisentzug rechnen.

Sachverhalt

In den beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren war bei Verkehrskontrollen jeweils festgestellt worden, dass die Kläger, die gelegentliche Cannabiskonsumenten waren, trotz vorangegangenen Konsums ein Kraftfahrzeug geführt hatten.

Aufgrund der ermittelten Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC), dem psychoaktiven Cannabiswirkstoff, im Blutserum von 1 ng/ml oder mehr gingen die Fahrerlaubnisbehörden davon aus, dass die Fahrsicherheit der Kläger beeinträchtigt sein konnte.

Daher fehle ihnen nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung wegen fehlender Trennung zwischen dem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges die Fahreignung. Die Fahrerlaubnisbehörden entzogen den Betroffenen deshalb gestützt auf § 11 Abs. 7 FeV ohne die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens die Fahrerlaubnis.

Die hiergegen erhobenen Klagen sind erfolgreich gewesen, soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Berufung entschieden hat.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten nach einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis nicht unmittelbar von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen darf, sondern zur Klärung der damit begründeten Zweifel an der Fahreignung im Ermessenswege über die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu entscheiden hat.

Dagegen hat das Nordrhein-Westfälische Oberverwaltungsgericht in dem bei ihm anhängigen Berufungsverfahren die unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis für zulässig erachtet.

Entscheidungsgründe

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, in der Regel nicht ohne weitere Aufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen und ihm unmittelbar die Fahrerlaubnis entziehen darf.

In solchen Fällen haben die Fahrerlaubnisbehörden gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der durch diese Fahrt begründeten Zweifel an der Fahreignung zu entscheiden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat seine bisherige Rechtsprechung (Urt. v. 23.10.2014 – 3 C 3.13) insoweit bestätigt, dass ein gelegentlicher Konsument von Cannabis den Konsum und das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht trennt (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung), wenn bei der Fahrt die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung seiner Fahrsicherheit besteht.

Von einer solchen Möglichkeit kann nach wie vor ausgegangen werden, wenn beim Betroffenen im Anschluss an die Fahrt eine THC-Konzentration von 1 ng/ml oder mehr festgestellt wird.

Allein dieser erstmalige Verstoß gegen die gebotene Trennung von Konsum und Fahren rechtfertigt indes in der Regel nicht die Annahme, dass sich der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. An seiner gegenteiligen Annahme im Urteil vom 23.10.2014 hält das Bundesverwaltungsgericht nicht fest.

Auch ein einmaliger Verstoß begründet aber Bedenken gegen die Fahreignung, denen die Fahrerlaubnisbehörde nachgehen muss. Erforderlich ist eine Prognose, ob der Betroffene auch künftig nicht zwischen einem möglicherweise die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Fahren trennen wird.

Um hierfür eine ausreichend abgesicherte Beurteilungsgrundlage zu haben, bedarf es in der Regel der Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die Fahrerlaubnisbehörde hat gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anordnung der Beibringung eines solchen Gutachtens und die hierbei einzuhaltende Frist zu entscheiden.

Quelle: Pressemitteilung – BVerwG vom 11.04.2019