0941 / 5841-542 kanzlei@ra-winkelmeier.de

Religion schützt nicht vor Helmpflicht

BVerwG, Urteil vom 04.07.2019 – 3 C 24.17

Wer aus religiösen Gründen einen Turban trägt, wird deshalb nicht von der Helmpflicht beim Motorradfahren befreit. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Ein gläubiger Sikh hatte sich auf eine entsprechende religiöse Pflicht berufen. Das Gericht verwies zudem darauf, dass die Helmpflicht auch Rechtsgütern Dritter – wie Unfallbeteiligten und Rettungskräften – diene.

Sachverhalt

Der Kläger beantragte im Juli 2013 bei der Stadt Konstanz die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung, mit der er von der Pflicht zum Tragen eines Schutzhelms beim Motorradfahren befreit wird. Die Schutzhelmpflicht nach § 21 a Abs. 2 Satz 1 StVO verletze ihn als gläubigen Sikh in seiner Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG.

Er sei aus religiösen Gründen verpflichtet, einen Turban zu tragen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 5b StVO könne nur aus gesundheitlichen Gründen erteilt werden. Der Widerspruch des Klägers und seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Freiburg sind erfolgslos geblieben.

Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Beklagte verpflichtet, über seinen Antrag erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beklagte habe verkannt, dass eine Ausnahme auch aus religiösen Gründen in Betracht komme. Eine unmittelbare Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung hat der Verwaltungsgerichtshof dagegen abgelehnt.

Die Glaubensfreiheit führe nicht zu einem generellen Überwiegen der Interessen des Klägers gegenüber der ebenfalls grundrechtlich gewährleisteten körperlichen und psychischen Unversehrtheit Dritter, die durch die Helmpflicht geschützt werden solle.

Eine Reduzierung des behördlichen Ermessens auf Null komme allenfalls in Betracht, wenn der Antragsteller auf die Nutzung des Motorrads zwingend angewiesen sei. Das sei beim Kläger nicht der Fall.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers, mit der er über die Verpflichtung zur erneuten Entscheidung hinaus die Erteilung der Ausnahmegenehmigung erreichen will, hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.

Die in § 21a Abs. 2 StVO angeordnete Pflicht, beim Motorradfahren einen geeigneten Schutzhelm zu tragen, kann den Kläger als gläubigen Sikh mittelbar in seiner Religionsausübungsfreiheit beeinträchtigen.

Er wird hierdurch zwar nicht an der Praktizierung seines Glaubens gehindert; bei der Befolgung der von ihm aus religiösen Gründen als verbindlich empfundenen Pflicht zum Tragen eines Turbans muss er aber auf das Motorradfahren verzichten.

Diese Einschränkung ist auch mit Blick auf die durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Religionsfreiheit grundsätzlich gerechtfertigt und vom Kläger hinzunehmen, weil sie anderen, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern Dritter dient.

Die Helmpflicht soll nicht nur den Motorradfahrer selbst, sondern auch die körperliche und psychische Unversehrtheit anderer Unfallbeteiligter und der Rettungskräfte schützen. Sie können durch den Unfalltod oder durch den Eintritt schwerer Verletzungen bei einem nicht mit einem Schutzhelm gesicherten Motorradfahrer traumatisiert werden.

Ein durch Helm geschützter Motorradfahrer wird zudem im Fall eines Unfalls eher in der Lage sein, zur Rettung anderer Personen beizutragen, etwa indem er die Unfallstelle sichert, Ersthilfe leistet oder Rettungskräfte ruft.

Ein Anspruch auf Befreiung von der Helmpflicht kann daher allenfalls bestehen, wenn dem Betroffenen der Verzicht auf das Motorradfahren aus besonderen Gründen nicht zugemutet werden kann. Anhaltspunkte hierfür hat der Kläger, der über eine Fahrerlaubnis zum Führen von Pkw verfügt und einen Lieferwagen besitzt, nicht dargelegt.

Quelle: Pressemitteilung – BVerwG vom 04.07.2019

Sog. „Autoposen“ verstößt gegen die Straßenverkehrsordnung

Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 17.12.2018 – 1 K 4344/17

Bei der Benutzung von Fahrzeugen unnötigen Lärm oder vermeidbare Abgasbelästigungen zu verursachen, kann ein behördliches Verbot nach sich ziehen. Das hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe in einem sog. „Autoposer“-Fall bestätigt. Polizeilichen Meldungen zufolge war der Fahrer des Fahrzeugs im Streitfall u.a. mit durchdrehenden Rädern und laut aufheulendem Motor unterwegs.

Sachverhalt

Die Stadt Mannheim hatte einem Autofahrer aus Ludwigshafen verboten, bei der Benutzung von Fahrzeugen unnötigen Lärm oder vermeidbare Abgasbelästigungen im Mannheimer Stadtgebiet zu verursachen. Zur Begründung ihres Verbots vom 22.09.2016 hatte sich die Stadt Mannheim auf § 30 Absatz 1 der Straßenverkehrsordnung – StVO – berufen, der es verbietet, bei der Benutzung von Fahrzeugen unnötigen Lärm und vermeidbare Abgasbelästigungen hervorzurufen.

Zuvor war der Jaguar F-Type des Klägers zwischen dem 28.07.2016 und dem 24.08.2016 vierzehn Mal durch Bürgerinnen und Bürger der Mannheimer Innenstadt bei der Polizei gemeldet worden, weil diese sich durch Lärm bei dessen Benutzung gestört fühlten.

Auch örtliche Polizeidienststellen hatten mehrmals von Amts wegen das bezeichnete Fahrzeug des Klägers gemeldet. Den polizeilichen Meldungen zufolge hatte der Kläger mit seinem Fahrzeug unter anderem auf dem Mannheimer Cityring nachts während einer Rotlichtphase „unnötig Gas“ gegeben, sei „mit durchdrehenden Rädern“ und „laut aufheulendem Motor“ unterwegs gewesen, habe „übermäßig stark beschleunigt“ und sei mehrfach durch „unnötig starke Gasstöße“ aufgefallen.

Entscheidungsgründe

Zur Begründung seines die Klage des Autofahrers abweisenden Urteils hat das Verwaltungsgericht ausgeführt:

Unzumutbar könne der durch ein Fahrzeug verursachte Lärm insbesondere dann sein, wenn dieser – wie im Fall des Klägers – durch das Hochjagen des Motors im Leerlauf, hochtouriges Fahren in niedrigen Gängen, sehr starkes Beschleunigen mit durchdrehenden Reifen, plötzliches Abbremsen mit einhergehendem Reifenquietschen und hohe lärmverursachende Kurvengeschwindigkeiten hervorgerufen werde.

In der Regel würden zusammen mit den genannten unnötigen Lärmbelästigungen auch vermeidbare Abgasbelästigungen auftreten. Die in § 30 Absatz 1 StVO enthaltenen Verbote knüpften dabei nicht an die Beschaffenheit des Fahrzeugs, sondern an ein Verhalten des Fahrzeugführers an.

Ein Verstoß gegen § 30 Absatz 1 StVO könne deshalb auch dann vorliegen, wenn das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen sei. Das persönliche Bedürfnis des Klägers, mit seinem Auto zu „posen“, habe im Rahmen der Gesamtbeurteilung außer Betracht zu bleiben oder jedenfalls hinter die schutzwürdigen Belange der Anwohner in der Innenstadt, vor lautem Fahrzeuglärm weitestgehend geschützt zu werden, zurückzutreten.

In der Inanspruchnahme des Klägers liege auch kein Verstoß gegen den in Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung. Aus den von der Stadt Mannheim vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass diese nicht nur gegen den Kläger, sondern seit dem Jahr 2016 verstärkt gemeinsam mit dem Polizeipräsidium Mannheim auch gegen andere sogenannte Auto-Poser vorgehe.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Zulassung der Berufung beantragen.

Quelle: Pressemitteilung – VG Karlsruhe vom 04.02.2019