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Zum Anscheinsbeweis für Keimepidemie im Hotel (Reiserecht)

Urteil des AG München vom 12.05.15 – 283 C 9/15

Nach erstem Anschein kann erst dann davon ausgegangen werden, dass für eine Virus- und Keimepidemie von Gästen das Hotel verantwortlich ist, wenn nachgewiesen ist, dass mindestens 10 Prozent der Gäste daran erkrankt sind.

Sachverhalt

Der 27-jährige Kläger aus Mühlheim buchte für sich und seine Lebensgefährtin eine achttägige Flugpauschalreise nach Rhodos vom 15. Mai bis 22. Mai 2014 zum Preis von 954 Euro. Das Hotel hat 4,5 Sterne nach Landeskategorie und war zu dieser Zeit mit 1600 Gästen belegt.

Der Kläger und seine Freundin wurden gleich in der ersten Nacht schwer krank und litten an starkem Erbrechen, Durchfall, Schwindel, Kopfschmerzen sowie massiven Magen-Darm-Beschwerden, Schüttelfrost und Fieber. Sie mussten während des gesamten Aufenthalts im Bett liegen und sind vorzeitig am 20. Mai abgereist. Der Kläger macht für die Erkrankung den Reiseveranstalter verantwortlich. Im Hotel habe seit Anfang Mai ein Noro-Rota-Virus grassiert. Vor den Hotelzimmern hätten sich schmutzige Bettlaken und Handtücher mit Erbrochenem gestapelt. Hotelgäste und Kinder hätten sich auf den Gängen oder mitten im Restaurant erbrochen. Die überwiegende Anzahl der Gäste, jedoch mindestens 476 Personen, habe der Virus befallen. Der Kläger verlangt von dem Reiseveranstalter den gesamten Reisepreis zurück und eine Entschädigung in gleicher Höhe wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit sowie Schmerzenzgeld, insgesamt 2176 Euro. Der Reiseveranstalter weigert sich zu zahlen. Er ist der Auffassung, dass das Hotel nicht für die Erkrankung verantwortlich sei. Die beauftragten staatlich zertifizierten Forschungsstätten hätten Proben der Nahrungsmittel sowie des Leitungswassers, der Getränkeautomaten, der Eiswürfelbereiter, der Eismaschine sowie des Poolwassers entnommen und auf etwaige Krankheitserreger untersucht. Sämtliche Proben sind negativ verlaufen.

Der Kläger erhob Klage vor dem Amtsgericht München. Der zuständige Richter wies die Klage in vollem Umfang ab.

Entscheidungsgründe

Die Erkrankung ist nur dann ein Reisemangel, wenn die Ursache im Verantwortungsbereich des Reiseunternehmens liegt. Dies konnte der Kläger nicht nachweisen. Das Gericht stellt fest, dass alleine aufgrund der Inkubationszeit fraglich erscheint, dass der Kläger und seine Lebensgefährtin sich im Hotel angesteckt haben. Es bestehe zudem eine Vielzahl von Ansteckungsmöglichkeiten, zum Beispiel beim Kontakt mit anderen Personen auf der Reise oder aufgrund von verunreinigtem Meerwasser am Strand. „Eine Infektion stellt sich insoweit als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos dar, so das Gericht. Zur Berechnung der Krankheitsfälle führt das Gericht aus: Es geht nicht an, alle erkrankten Gäste über einen Monat zusammenzuzählen und sie in das Verhältnis zur Zahl der täglich anwesenden Hotelgäste von 1.600 zu setzen, vielmehr wäre das Verhältnis zu der über einen Monat anwesend gewesenen Gesamtzahl der Gäste zu ermitteln.

Das Gericht stellt darauf ab, wie viele Hotelgäste im Aufenthaltszeitraum des Klägers erkrankt sind. Das waren höchstens 140, was bei einer Gästezahl von 1600 8,75 Prozent entspricht. Von einer Vielzahl von Gästen, welche an denselben Krankheitssymptomen leiden, kann dann jedoch nicht mehr gesprochen werden, wenn weniger als 10 % der Hotelgäste erkrankt sind. In diesem Fall scheidet ein Anscheinsbeweis aus.“, so die Urteilgründe angelehnt an eine Entscheidung des OLG Düsseldorf.

Das Urteil ist rechtskräftig

Quelle: Pressemitteilung – AG München vom 08.04.2016

Schmerzensgeld bei sog. Herausforderungsfall

Urteil des Amtsgerichts München vom 22.12.16 – 173 C 15615/16

Wird jemand grundlos in die Flucht geschlagen und verletzt dieser sich dabei, liegt ein sogenannter „Herausforderungsfall“ vor, der einen Schmerzensgeldanspruch nach sich ziehen kann.

Sachverhalt

 Der Beklagte ist Eigentümer eines mehrgeschossigen Büro- und Geschäftshauses in Gräfelfing. In dem Haus hat der Kläger Räume für seine Firma angemietet. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten kam es bereits mehrfach zu Streitigkeiten wegen des Mietverhältnisses. Am 31.03.2013 sprach der beklagte Vermieter gegenüber dem Mieter ein Hausverbot für das gesamte Gebäude aus. Am 08.04.2013 trafen die beiden Männer erneut aufeinander, wobei der beklagte Vermieter Pfefferspray in Richtung des Klägers sprühte. Einen Tag später traf der Kläger wiederum auf seinen Vermieter, als er gerade dabei war, das Gebäude zu verlassen. Aus Angst vor ihm lief er in Richtung der Straße, fiel dabei über die Bordsteinkante und stürzte auf die Fahrbahn. Dabei zog er sich zwei Schürfwunden an der linken Hand und eine Schürfwunde am linken Oberarm zu und prellte sich die linke Hüfte. Deshalb verlangte er von dem Vermieter 2500 Euro Schmerzensgeld. Diese weigerte sich zu zahlen. Er ist der Meinung, er sei berechtigt gewesen, das Hausverbot durchzusetzen. Außerdem trage der Kläger ein Mitverschulden.

Der Kläger erhob Klage vor dem Amtsgericht München. Der zuständige Richter sprach ihm Schmerzensgeld wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu, jedoch nur in Höhe von 800.

Entscheidungsgründe

In dem Gerichtstermin wurde eine Videoaufzeichnung in Augenschein genommen. Wegen des Vorfalls am Vortag hatte der Kläger eine Videoauf-zeichnung gestartet, bevor er das Gebäude verlassen hatte. Dazu stellt das Gericht Folgendes fest: „…es ist unzweifelhaft zu erkennen, dass der Beklagte dem Kläger vor dem Gebäude auflauerte, ohne weitere Vorwarnung wild auf ihn zu stürmte, dabei laut „ jetzt aber“ schrie und den Kläger in Richtung zur Straße verfolgte. Zur Überzeugung des Gerichts steht damit fest, dass der Beklagte den Kläger durch den Angriff mit anschließender Verfolgung zur Flucht veranlasste“. Das Stolpern des Klägers sei durch die Verfolgung des Beklagten herausgefordert worden. Dies zumal der Beklagte auch noch ein Pfefferspray in der Hand gehalten habe. Der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, das Hausverbot zu verhängen. Bei vermieteten Räumen sei alleine der Mieter Hausrechtsinhaber.

Das Gericht erachtete für die erlittenen Verletzungen des Klägers ein Schmerzensgeld in Höhe von 800 Euro als angemessen. Dabei hat es berücksichtigt, dass es sich nur um leichte und oberflächliche Schürfungen gehandelt hat und die Hüftprellung sich in einem großen Bluterguss mit nicht unerheblichen Schmerzen über einen längeren Zeitraum hinweg manifestiert hat. Ein Mitverschulden des Klägers sei nicht ersichtlich.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: AG München – Pressemitteilung vom 24. März 2017