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Deal im Strafprozess: BVerfG rügt Auffassung des BGH

BVerfG, Beschluss vom 26.08.2014 – 2 BvR 2048/13 – 2 BvR 2172/132 – BvR 2400/13

Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Verfahren Vorgaben für eine Verständigung im Strafverfahren gemacht. So muss der Angeklagte schon vor seiner Zustimmung und nicht erst vor seinem Geständnis belehrt werden. Auch eine „Negativmitteilung“, dass keine Gespräche über eine Verständigung stattgefunden haben, sei zu Beginn der Hauptverhandlung erforderlich, so das Verfassungsgericht.

Sachverhalt

Im Verfahren 2 BvR 2048/13 verurteilte das Landgericht Berlin den Beschwerdeführer wegen Betäubungsmitteldelikten zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren.

Dem Urteil ging eine Verständigung voraus, die der Verteidiger des Beschwerdeführers initiiert hatte. Die Strafkammer stellte dem Beschwerdeführer in Aussicht, eine Freiheitsstrafe von nicht über 6 Jahren und 6 Monaten zu verhängen, wenn dieser u. a. ein glaubhaftes Geständnis ablege und auf sämtliche sichergestellten Gelder und Gegenstände verzichte.

Der Beschwerdeführer, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft stimmten dem Vorschlag der Strafkammer zu; erst anschließend wurde der Beschwerdeführer gemäß § 257c Abs. 5 der Strafprozessordnung (StPO) belehrt. Das Geständnis legte der Angeklagte im folgenden Hauptverhandlungstermin eine Woche später ab.
Mit seiner Revision rügte der Beschwerdeführer, dass das Landgericht ihn nicht bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlages belehrt habe. Der BGH verwarf die Revision mit Urteil vom 07.08.2013.

Dem Verfahren 2 BvR 2172/13 liegt ein Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 23.01.2013 zugrunde, mit dem der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten verurteilt wurde. Im Verfahren 2 BvR 2400/13 wurde der Beschwerdeführer vom Landgericht Potsdam am 14.12.2012 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

In beiden Fällen legten die Beschwerdeführer Revision ein und rügten unter anderem einen Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO), weil das Landgericht es unterlassen habe, in öffentlicher Sitzung mitzuteilen, ob und ggf. welche Vorgespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten geführt wurden.
Der BGH verwarf beide Revisionen durch Beschlüsse vom 22.08.2013 und 17.09.2013 als unbegründet.

Entscheidungsgründe

Die angegriffenen Urteile des Landgerichts Berlin und des BGHs verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und verstoßen gegen die Selbstbelastungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG).

Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ist im Rechtsstaatsprinzip verankert und hat Verfassungsrang. Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt.

Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist. Nur so ist gewährleistet, dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, (weiterhin) Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt.

Mit der Aussicht auf eine Verständigung wird es dem Angeklagten in die Hand gegeben, durch sein Verhalten spezifischen Einfluss auf das Ergebnis des Prozesses zu nehmen. Anders als in einer nach der herkömmlichen Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung kann er mit einem Geständnis die das Gericht grundsätzlich bindende Zusage einer Strafobergrenze und damit Sicherheit über den Ausgang des Verfahrens erreichen.

Der Angeklagte muss deshalb wissen, dass die Bindung keine absolute ist, sondern unter bestimmten Voraussetzungen – die er ebenfalls kennen muss – entfällt. Nur so ist es ihm möglich, Tragweite und Risiken der Mitwirkung an einer Verständigung autonom einzuschätzen. Die in § 257c Abs. 5 StPO verankerte Belehrungspflicht ist aus diesem Grund keine bloße Ordnungsvorschrift, sondern eine zentrale rechtsstaatliche Sicherung des Grundsatzes des fairen Verfahrens und der Selbstbelastungsfreiheit.

Eine Verständigung ohne vorherige Belehrung verletzt den Angeklagten grundsätzlich in seinem Recht auf ein faires Verfahren und in seiner Selbstbelastungsfreiheit. Im Rahmen der revisionsgerichtlichen Prüfung wird bei einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht regelmäßig davon auszugehen sein, dass das Geständnis und damit auch das Urteil hierauf beruht. Kann eine Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis ausnahmsweise ausgeschlossen werden, muss das Revisionsgericht hierzu konkrete Feststellungen treffen.

Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben genügen die angegriffenen Urteile nicht. Der BGH verkennt die grundlegende Bedeutung der Belehrungspflicht für die betroffenen Grundrechte. Er schließt ein Beruhen des Geständnisses (und damit auch des landgerichtlichen Urteils) auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus, weil davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer es auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte. Indes beruht diese Schlussfolgerung nicht auf Feststellungen, die die Willensbildung des Beschwerdeführers konkret in den Blick nehmen.

Vielmehr liegt ihnen die generalisierende Annahme zugrunde, dass ein anwaltlich verteidigter Angeklagter jedenfalls dann nicht mehr unter dem Eindruck der zunächst ohne Belehrung geschlossenen Verständigung steht, wenn das nach einer Überlegungsfrist von einer Woche abgelegte Geständnis unter Mitwirkung seines Verteidigers entstanden ist und dieser die Verständigung selbst initiiert hat.

Eine solchermaßen vom Einzelfall losgelöste Prüfung, ob das Urteil auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht beruht, ist mit dem oben genannten Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht in Einklang zu bringen. Es ist nicht auszuschließen, dass der BGH bei Anwendung des verfassungsrechtlich gebotenen Maßstabs zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Aus diesem Grund ist das angegriffene Urteil des BGHs aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.

Im Strafverfahren hat das Gericht zu Beginn der Hauptverhandlung auch mitzuteilen, ob Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung stattgefunden haben, so das Bundesverfassungsgericht in zwei weiteren Verfahren. Auch eine Negativmitteilung, dass keine solchen Gespräche stattgefunden haben, ist demnach erforderlich.
Die Revisionsentscheidungen in den Verfahren 2 BvR 2172/132 und BvR 2400/13 verstoßen gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG).

Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber Entscheidungen der Fachgerichte unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Willkürlich ist ein Richterspruch erst dann, wenn Rechtsanwendung oder Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht. Dabei enthält die Feststellung von Willkür keinen subjektiven Schuldvorwurf. Willkür ist vielmehr in einem objektiven Sinne zu verstehen.

Den Revisionsentscheidungen liegt eine Auslegung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO zugrunde, nach der eine Mitteilungspflicht nicht bestehe, wenn keine auf eine Verständigung hinzielenden Gespräche stattgefunden haben. Diese Auslegung verstößt in unvertretbarer und damit objektiv willkürlicher Weise gegen den eindeutigen objektivierten Willen des Gesetzgebers, wie er auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19.03.2013 herausgearbeitet wurde.

§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO lautet: „Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt.“ Der Wortlaut der sprachlich wenig geglückten Norm erscheint zwar auf den ersten Blick mehrdeutig (einerseits „ob“, andererseits „wenn“).

Er lässt aber durch die weitere Formulierung „und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt“ auf das Bestehen einer Mitteilungspflicht auch für den Fall schließen, dass keine Verständigungsgespräche stattgefunden haben (sog. Negativmitteilungspflicht), weil es des Zusatzes „und wenn ja“ ansonsten nicht bedurft hätte.

Da der Gesetzeswortlaut selbst bei einer Ersetzung des „ob“ durch ein „dass“ unverständlich bliebe, ist nicht das „ob“, sondern das „wenn“ als Redaktionsversehen einzuordnen. Die Gesetzessystematik spricht ebenfalls für eine Negativmitteilungspflicht. Wenn in § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO von „Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung“ die Rede ist, so lässt dies allein den Schluss zu, dass zu Beginn der Hauptverhandlung in jedem Fall eine Mitteilung – sei es positiv oder negativ – zu erfolgen hat. Eine klare Bestätigung dieser Sichtweise findet sich in § 78 Abs. 2 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG), wonach die Mitteilungspflicht im Bußgeldverfahren nur gilt, wenn eine Erörterung stattgefunden hat.

Daraus ergibt sich im Umkehrschluss eindeutig, dass im „normalen“ Strafprozess eine Mitteilungspflicht auch dann besteht, wenn keine Erörterung stattgefunden hat. c) Auch die Materialien zum Verständigungsgesetz belegen eindeutig, dass der Gesetzgeber für den „normalen“ Strafprozess eine Negativmitteilungspflicht einführen wollte.

Der Bundesrat ist der Einführung einer Negativmitteilungspflicht in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf entgegengetreten und hat deswegen eine abweichende Fassung des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vorgeschlagen. Diese ist jedoch nicht Gesetz geworden. Es blieb vielmehr bei der im Regierungsentwurf vorgesehenen Fassung.

Sinn und Zweck des dem Verständigungsgesetz zugrunde liegenden Regelungskonzepts, das umfassende Transparenz in Bezug auf Verständigungen im Strafprozess vorsieht, sprechen ebenfalls für eine Negativmitteilungspflicht. Auch der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts legt die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO dahingehend aus, dass sie eine Negativmitteilungspflicht beinhaltet (vgl. Urteil vom 19.03.2013, Rn. 98).

Von einem Beruhen der angegriffenen Entscheidung auf einer Grundrechtsverletzung ist bereits dann auszugehen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass das Gericht bei hinreichender Berücksichtigung des verletzten Grundrechts zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Welche Darlegungsanforderungen der BGH – bei Bejahung einer Negativmitteilungspflicht – an den Vortrag des Revisionsführers gestellt hätte und ob er die diesbezügliche Verfahrensrüge hiernach für zulässig erachtet hätte, ist zunächst eine Frage des einfachen Rechts, die nicht durch das Bundesverfassungsgericht zu beurteilen ist.

Quelle: Pressemitteilungen BVerfG  vom 17.09.2014

Die Strafbarkeit der Teilnahme an öffentlichen Glückspielen im Internet

Amtsgericht München, Urteil vom 26.09.14 – 1115 Cs 254 Js 176411/13

Wer über einen Internetanbieter, der in Deutschland keine
Zulassung hat, Black Jack spielt, macht sich strafbar.

Nach § 285 StGB macht sich strafbar, wer sich an einem öffentlichen Glückspiel (§ 284 StGB) beteiligt.

Sachverhalt

Ein 25-jähriger Malermeister aus München spielte über einen Internetanbieter das Glücksspiel Black Jack. Der Anbieter gehört zu einer Holding mit Sitz in Gibraltar und verfügt in Deutschland über keine Erlaubnis zur Veranstaltung von Glückspielen. In den Nutzungsbedingungen des Anbieters, die man vor der Zulassung zum Spiel akzeptieren muss, wird darauf hingewiesen, dass Internet-Glückspiele in einigen Ländern verboten sind und der Spieler prüfen muss, welche Gesetze für ihn gelten.

Der Malermeister aus München nahm über das Internet an dem Black Jack Glücksspiel teil. Es wurden ihm durch den Finanzdienstleister des Internetanbieters in der Zeit vom 13.7.11 bis 26.8.11 insgesamt 201.500 Euro auf sein Privatkonto überwiesen.

Der Malermeister hat von seinem Privatkonto an den Finanzdienstleister in der Zeit vom 1.3.11 bis 31.10.11 65.030 Euro bezahlt und von seinem Geschäftskonto in der Zeit vom 1.3.11 bis 31.12.11 nochmals 55.900 Euro.

Wann und wie oft er an dem Spielbetrieb in Gibraltar teilnahm, konnte nicht ermittelt werden.

Entscheidungsgründe

Der Malermeister verteidigte sich vor Gericht, er sei davon ausgegangen, dass das Glückspiel im Internet erlaubt sei, da vielfach unter anderem durch Boris Becker, den FC Bayern und andere Prominente Reklame hierfür in großem Umfang betrieben werde. Außerdem verstoße das Glückspielverbot im Internet gegen höherrangiges Recht.

Der Malermeister wurde vom Amtsgericht München wegen der Beteiligung am unerlaubten Glückspiel zu einer Geldstrafe von 2.100 Euro verurteilt. 63.490 Euro, die bei ihm sichergestellt wurden und die er beim Glückspiel gewonnen hat, bekommt er nicht zurück. Sie werden vom Staat eingezogen.

Der zuständige Richter führt in seinem Urteil aus, dass es sich bei Black Jack um ein Glückspiel handelt, für das der Veranstalter eine behördliche Erlaubnis benötigt. Das Glückspiel im Internet wird einem unbegrenzten Personenkreis zugänglich gemacht und ist damit öffentlich. Der Anbieter besaß nicht die erforderliche behördliche deutsche Genehmigung. Der Malermeister handelte nach Überzeugung des Gerichts mit bedingtem Vorsatz, da er die entsprechenden Hinweise in den Nutzungsbedingungen des Anbieters lesen musste. Er hätte entsprechende Erkundigungen einziehen müssen, ob das Glücksspiel für ihn erlaubt ist. Es sei gerichtsbekannt, dass allein unter der Überschrift „Glückspiel“ im Internet unter der Suchmaschine „Google“ sich die ersten vier Beiträge mit der Strafbarkeit von Glückspielen im Internet beschäftigen, wobei jedenfalls erwähnt wird, dass zumindest unter förmlicher Betrachtung die Teilnahme an Internet-Casinos mit Glückspielen strafbar ist. Wenn der Malermeister in den Nutzungsbedingungen auf eine mögliche Strafbarkeit hingewiesen werde, diese Strafbarkeit durch einfachste Recherche im Internet deutlich vor Augen geführt wird und er unter Ignorierung dieser Umstände dennoch am Glückspiel teilnimmt, zeige dies seine Einstellung, dass ihm die mögliche Strafbarkeit egal ist und er dies bewusst beiseite schiebt, da ihm die Teilnahme am Glücksspiel wichtiger erscheine.

Das Gericht führt weiter aus, dass sich der Malermeister nicht darauf berufen kann, dass Prominente Werbung für Glücksspiel im Internet betrieben. Dabei habe es sich ausschließlich um Sportwetten gehandelt. Auch dem juristischen Laien sei der Unterschied zwischen einer Sportwette und einem Glückspiel wie Black Jack bekannt.

Das Gericht stellt fest, dass das Internet-Glückspiel-Verbot in Deutschland nicht gegen europäisches Recht verstößt. Der Europäische Gerichtshof habe entschieden, dass die staatlichen Stellen in dem besonderen Bereich von Glückspielen über ein ausreichendes Ermessen bei der Festlegung der Anforderungen verfügen, die sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben und dass es Sache eines jeden Mitgliedsstaates ist, zu beurteilen, ob es erforderlich ist, Spiel- und Wetttätigkeiten vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu kontrollieren. Der Europäische Gerichtshof hat auch entschieden, dass Beschränkungen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind. Das Amtsgericht München stellt fest, dass das Glückspiel im Internet eine erhebliche Gefahr für den einzelnen Spieler darstellt. Die Landesgesetzgeber haben in § 4 des Glückspielländerstaatsvertrages ihr Ermessen ausgeübt und eine Beschränkung der Wetttätigkeit bei Glückspielen begründet.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung – Monika Andreß, AG München vom 02.01.2015

Haft wegen Veruntreuung von Mandantengeldern

OLG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2016 – 1 Ss 236/15          

Das OLG Oldenburg hat eine Entscheidung des Landgerichts Oldenburg bestätigt, mit der ein ehemaliger Rechtsanwalt zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt wurde. Auch ein zusätzliches dreijähriges Berufsverbot bestätigte das Gericht. Der Jurist hatte als Rechtsanwalt Mandantengelder in Höhe von insgesamt deutlich mehr als 100.000 € einbehalten.

Sachverhalt

Der Rechtsanwalt suchte im Jahr 2007 die Ehefrau eines Mandanten auf, der sich in Untersuchungshaft befand, und erklärte ihr bewusst wahrheitswidrig, dass eine Durchsuchung anstehe. Wenn sie noch Bargeld oder Wertsachen im Haus habe, könne er diese gern mitnehmen und für sie verwahren. Die Ehefrau händigte dem Rechtsanwalt daraufhin 42.000 € aus, welche dieser, wie von vornherein geplant, für eigene Zwecke verwendete.

Ein Jahr später erhielt der Rechtsanwalt von demselben Mandanten den Auftrag, zwei Lebensversicherer auf Zahlung von knapp 20.000 € in Anspruch zu nehmen. Die Lebensversicherer überwiesen den Betrag auf ein Konto des Rechtsanwalts. Dieser verbuchte das Geld als Einnahme und behielt es für sich.

Im Jahr 2010 erstritt der Rechtsanwalt in einem Zivilverfahren für einen anderen Mandanten einen Betrag in Höhe von rund 26.000 €. Die unterlegene Partei händigte ihm einen Scheck aus, den er bei seiner Bank einlöste. Entgegen dem Auftrag des Mandanten leitete er das Geld nicht an dessen Gläubiger weiter, sondern verwendete es für eigene Zwecke.

Ebenfalls im Jahr 2010 vertrat der Rechtsanwalt ein Ehepaar, das auf Rückzahlung unberechtigter Sozialleistungen in Höhe von mehr als 30.000 € in Anspruch genommen worden war. Als er erfuhr, dass die Ehefrau 25.000 € auf einem Sparkonto hatte, erklärte er ihr, dass es für den Rechtsstreit besser sei, kein Geld auf dem Konto zu haben. Die Ehefrau hob daraufhin das Geld ab und übergab es dem Rechtsanwalt, der es für sich verbrauchte.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg erhob Anklage vor dem Amtsgericht Oldenburg. Das Amtsgericht verurteilte den Rechtsanwalt nach umfangreicher Beweisaufnahme – er bestritt die Taten – wegen Betruges und Untreue in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten. Gleichzeitig verhängte es ein dreijähriges Berufsverbot gegen ihn. Dagegen legte der Rechtsanwalt Berufung beim Landgericht Oldenburg ein.

Entscheidungsgründe

Das Landgericht bestätigte den Schuldspruch des Amtsgerichts, reduzierte die Gesamtfreiheitsstrafe jedoch auf zwei Jahre und neun Monate. Dagegen legte der Rechtsanwalt Revision beim OLG Oldenburg ein.

Das OLG Oldenburg hielt die Ausführungen des Landgerichts zur Strafzumessung für unzureichend und verwies die Sache daher insoweit an das Landgericht zurück. Das Landgericht verhandelte die Sache erneut und verurteilte den Rechtsanwalt wieder zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten.

Das Berufsverbot hielt es ebenfalls aufrecht. Dagegen legte der Rechtsanwalt erneut Revision beim OLG Oldenburg ein. Damit hatte er dieses Mal jedoch keinen Erfolg. Der 1. Strafsenat des OLG Oldenburg bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung – OLG Oldenburg vom 04.02.2016

MPU bei betrunkenem Fußgänger

VG Neustadt a.d. Weinstraße, Beschluss vom 16.6.2015 – 1 L 442/15.NW

Ist die Fahrerlaubnis wegen eines Alkoholdelikts entzogen und nachfolgend wiedererteilt worden, weil der Fahrerlaubnisinhaber im Rahmen einer medizinisch psychologischen Untersuchung glaubhaft machen konnte, dass er künftig nur noch kontrolliert Alkohol trinkt (anlassbezogen und bis zu einer bestimmten Höchstmenge), sind erneut Zweifel an seiner Fahreignung gerechtfertigt, wenn er rund drei Jahre später mit einer Atemalkoholkonzentration von 1,79 ‰ orientierungslos zu Fuß auf einer Autobahn, in Schlangenlinien laufend von der Polizei aufgegriffen wird.

Die Fahrerlaubnisbehörde darf diese Zweifel, ob der Betroffene in den früheren missbräuchlichen Alkoholkonsum zurückgefallen ist, durch erneute Anordnung eines medizinisch psychologischen Gutachtens klären.

Sachverhalt

Dem Antragsteller war, nach Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen eines Alkoholdelikts, diese im Anschluss an eine positiv verlaufene medizinisch-psychologische Begutachtung im Jahr 2011 wiedererteilt worden. Im Rahmen der Untersuchung wurde ausführlich auf den vorangegangenen Alkoholmissbrauch eingegangen, konkret: auf die Frage, ob der Antragsteller künftig in der Lage sein würde, zu einem kontrollierten Trinkverhalten zurückzufinden und Fahren vom Alkoholkonsum zu trennen. Der Antragsteller hatte insoweit auch vorgetragen, er werde künftig nur noch zu bestimmten Anlässen Alkohol konsumieren und bestimmte Alkoholmengen nicht überschreiten. Auf Grundlage dieser Angaben des Antragstellers sah die Begutachtungsstelle keine Gefahr von Überkonsum und Kontrollverlusten. Am 14.2.2015 wurde der Antragsteller, der als Fußgänger auf der Autobahn nach Hause unterwegs war, von der Verkehrspolizei aufgegriffen. Die gemessene Blutalkoholkonzentration betrug 1,79 ‰, zudem war der Antragsteller orientierungslos und lief in Schlangenlinien.

Die zuständige Straßenverkehrsbehörde nahm diesen Vorfall zum Anlass, den Antragsteller erneut zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens aufzufordern. Dies wurde mit der Befürchtung begründet, der Antragsteller könnte in seinen früheren Alkoholmissbrauch zurückgefallen sein. Nachdem der Antragstellers dieser Aufforderung nicht nachkam, entzog die Behörde die Fahrerlaubnis wegen nicht ausgeräumter Zweifel auf der Grundlage von §§ 11 Abs. 8, 46 FeV.

Entscheidungsgründe

Das VG lehnte den Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ab. Nach Auffassung der Kammer durfte die Behörde, in Anbetracht des früheren Alkoholmissbrauchs des Antragstellers, eine MPU-Anordnung erlassen. Da dieser rechtmäßigen Anordnung nicht Folge geleistet worden sei, habe die Behörde die Fahrerlaubnis unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 8 FeV entziehen dürfen.

Der Umstand, dass der Antragsteller am 14.2.2015 kein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt hatte, schließe eine MPU-Anordnung im konkreten Fall nicht aus. Der Antragsteller habe in der Vergangenheit nachweislich Alkoholmissbrauch betrieben und die MPU im Jahr 2011 vorrangig deshalb bestanden, weil er glaubhaft dargelegt habe, dass er künftig zu kontrolliertem Trinken übergehen werde.

Der jetzige Vorfall sei Anlass für die Besorgnis, dass der Antragsteller in sein früheres Missbrauchsverhalten zurückgefallen sein könnte. Zudem sei von ihm als Fußgänger auf der Autobahn eine erhebliche Gefahr auf den Verkehr ausgegangen, d.h. auch ein gewisser Verkehrsbezug liege vor.

Quelle: RA Dr. Michael Pießkalla, LL.M. Eur., München

Kein gültiger EU-Führerschein bei Wohnsitzverstoß

Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 22.02.2016 – 1 L 270/16.TR

Eine tschechische Fahrerlaubnis berechtigt nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland, wenn dessen Inhaber dort zum Zeitpunkt der Ausstellung keinen ständigen Wohnsitz hatte. Auch die zwischenzeitliche Erteilung einer „Fahrerkarte“ steht einer Untersagung nicht entgegen, wenn der Wohnsitzverstoß später bekannt wird. Das hat das Verwaltungsgericht Trier entschieden.

Sachverhalt

Dem Antragsteller wurde 1997 wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen. Die 2005 in den Niederlanden erworbene Fahrerlaubnis hat der Antragsteller 2006 in Tschechien in einen tschechischen Führerschein umgetauscht. Mit diesem Führerschein hat der Antragsteller in der Folge in der Bundesrepublik Deutschland als Lkw-Fahrer gearbeitet.

Nachdem die Führerscheinstelle im Oktober 2015 durch das tschechische Verkehrsministerium Mitteilung darüber erhalten hat, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Erteilung des tschechischen Führerscheines dort keinen Wohnsitz hatte, stellte der Landkreis fest, dass der Antragsteller in Deutschland nicht mit der tschechischen Fahrerlaubnis fahren dürfe und beabsichtigte nach der Vorlage des Führerscheines dort einen Sperrvermerk anzubringen. Gleichzeitig wurde der sofortige Vollzug dieser Feststellung angeordnet.

Entscheidungsgründe

Das Verwaltungsgericht Trier hat die Entscheidung der Führerscheinstelle bestätigt.

Zur Begründung wies das Gericht daraufhin, dass der Antragsteller nach der einschlägigen Fahrerlaubnisverordnung nicht berechtigt sei mit einer tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Fahrzeuge zu führen, da er zum Zeitpunkt des Erwerbs des tschechischen Führerscheines nicht in Tschechien gewohnt habe, sondern in der Bundesrepublik Deutschland.

Dass der Antragsteller nicht in Tschechien gewohnt habe stehe aufgrund der Mitteilung des Ausstellerstaates fest. Auch könne die Führerscheinstelle dem Antragsteller entgegenhalten, dass diesem in der Bundesrepublik Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen worden sei, denn dieser Eintrag sei im Fahreignungsregister noch nicht getilgt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Feststellung sei ebenfalls nicht zu beanstanden.

Zwar habe die Führerscheinstelle bereits seit einigen Jahren Kenntnis von der Existenz des tschechischen Führerscheines und habe dem Antragsteller eine sogenannte „Fahrerkarte“ erteilt. Jedoch habe sie erst im Oktober 2015 von dem hier maßgeblichen Wohnsitzverstoß erfahren. Des Weiteren bestehe ein dringendes öffentliches Interesse an der sofortigen Unterbindung der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr.

Selbst wenn der Antragsteller seit Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis im Straßenverkehr nicht auffällig geworden sei, komme dem keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass ein ungeeigneter Kraftfahrer selbst bei hohen Fahrleistungen aufgrund der geringen Kontrolldichte und der demgemäß hohen Dunkelziffer von Delikten im Straßenverkehr jahrelang unauffällig bleiben könne. Gleichwohl könne sich aber die von ihm ausgehende Gefahr für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer jederzeit realisieren.

Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten innerhalb von zwei Wochen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.

Quelle: Pressemitteilung – VG Trier vom 29.02.2016