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Abermals zur Höhe der Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten

OLG Hamm, Urteil vom 18.03.2016 – 9 U 142/15

Sind bei der Abwicklung eines Verkehrsunfallschadens Mietwagenkosten nach dem angemessenen Normaltarif zu schätzen, ist als Schätzungsgrundlage auf den Mittelwert der Marktpreiserhebungen nach der „Schwacke-Liste“ und dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel abzustellen (Modell „Fracke“). Das hat das OLG Hamm entschieden und damit eine Streitfrage in der obergerichtlichen Rechtsprechung beantwortet.

Sachverhalt

OLG Hamm hatte einen Verkehrsunfall zu beurteilen, der sich im August 2014 in Bielefeld ereignet hatte. Der mit seinem Pkw Toyota von der Hauptstraße nach links in die Berliner Straße abbiegende, seinerzeit 61 Jahre alte Kläger aus Bielefeld kollidierte im Kreuzungsbereich mit dem entgegenkommenden Pkw Mercedes des seinerzeit 24 Jahre alten Beklagten aus Bielefeld, der unter Befahren einer Sperrfläche in den Kreuzungsbereich eingefahren war.

Entscheidungsgründe

Aufgrund des verbotswidrigen Befahrens der Sperrfläche sei dem Beklagten eine 70%ige Haftung zuzuschreiben.

Bei der Bemessung der Schadenshöhe von insgesamt ca. 11.250 € hatte der Senat zu beurteilen, ob die in dieser Schadenssumme mit 828 € enthaltenen Mietwagenkosten gerechtfertigt waren.

Der Kläger habe, so der Senat zu der Schadensposition der Mietwagenkosten, nicht konkret nachgewiesen, dass er beim Anmieten des genutzten Ersatzfahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügt habe. Sein diesbezüglicher Schaden sei deswegen nach dem angemessenen Normaltarif zu schätzen, wobei es darauf ankomme, zu welchen Konditionen der Kläger einen Mietwagen erlangt hätte, wenn er dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprochen hätte.

Bei der hier gebotenen Schätzung könne der Tatrichter auf die Marktpreiserhebungen nach der „Schwacke-Liste“ oder nach dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel zurückgreifen. Beide Marktpreiserhebungen seien nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH, die dieser insoweit als nicht weiter klärungsbedürftig ansehe, grundsätzlich geeignete Schätzungsgrundlagen.

Bei der obergerichtlich umstrittenen Frage, auf welche Marktpreiserhebung abzustellen sei, bevorzugt das OLG Hamm die Mittelwertlösung „Fracke“. Die unterschiedlichen Erhebungsmethoden beider Auswertungen, die Erhebung des Fraunhofer Instituts beruhe im Wesentlichen auf einer anonymen Internetabfrage, die Schwacke-Erhebung auf einer nicht anonymisierten, aber örtlich genaueren Anbieterabfrage, hätten Vor- und Nachteile, die es dem Senat als sachgerecht erscheinen ließen, keine der Listen isoliert heranzuziehen, sondern auf ihren Mittelwert abzustellen.

Im vorliegenden Fall sei nach der „Schwacke-Liste“ ein Tarif von 1.142,52 € und nach dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel ein Wert von 490,51 € zu ermitteln. Der Mittelwert hieraus (816,52 €) weiche nur unerheblich von den angefallenen Mietwagenkosten (828 €) ab, so dass diese als ersatzfähig anzusehen seien.
Ausgehend von der 70%igen Haftungsquote könne der Kläger daher insgesamt ca. 7.900 € Schadensersatz beanspruchen.

Quelle:  Pressemitteilung – OLG Hamm vom 15.04.2016

Fahrtenbuchauflage trotz Zeugnisverweigerungsrecht

VG Neustadt, Beschluss vom 05.07.2016 – 3 L 519/16.NW

Eine Fahrtenbuchauflage kann rechtmäßig sein, wenn der Halter eines Pkw nach einer Geschwindigkeitsüberschreitung bei der Ermittlung des Fahrers nicht ausreichend mitgewirkt hat. Die Fahrtenbuchauflage ist nicht deshalb unzulässig, weil der Halter sich im Ordnungswidrigkeitsverfahren auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen konnte. Das hat das Verwaltungsgericht Neustadt entschieden.

Sachverhalt

Der im Landkreis Germersheim wohnhafte Antragsteller ist Halter eines Kraftfahrzeugs. Mit diesem wurde am 09.01.2016 um 21:05 Uhr in der Innenstadt von Karlsruhe die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaft um mindestens 23 km/h überschritten. Der Verstoß wurde auf einem Lichtbild dokumentiert. Darauf ist eine männliche Person zu erkennen.

Die Bußgeldstelle der Stadt Karlsruhe ermittelte daraufhin den Antragsteller als Fahrzeughalter und übersandte ihm Ende Januar 2016 einen Anhörungsbogen mit dem Fahrerfoto. Nachdem der Antragsteller nicht darauf reagierte, forderte die Bußgeldstelle bei der Verbandsgemeindeverwaltung Kandel das dort einliegende Passbild des Antragstellers zum Abgleich mit dem Beweisfoto an. Dabei ergab sich, dass es sich bei dem Antragsteller nicht um den Fahrzeugführer handelte.

Am 01.04.2016 suchten Beamte der Polizeiinspektion Wörth den Antragsteller auf. Nachdem dieser belehrt und auf sein Zeugnisverweigerungsrecht im Hinblick auf nahe Angehörige hingewiesen worden war, machte der Antragsteller nach Vorlage des Beweisfotos keine Angaben. In der Folgezeit stellte die Bußgeldstelle der Stadt Karlsruhe das gegen den Antragsteller eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren ein.

Mit Bescheid vom 23.05.2016 verpflichtete daraufhin die Kreisverwaltung Germersheim den Antragsteller zur Führung eines Fahrtenbuches für sein Kraftfahrzeug für die Dauer von zwölf Monaten und ordnete die sofortige Vollziehung an. Der Antragsteller hat dagegen Widerspruch eingelegt und Ende Juni 2016 um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht.

Zur Begründung hat er ausgeführt: Zum einen habe der Antragsgegner nicht alle nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen, um den Fahrzeugführer zu ermitteln. Zum anderen müsse berücksichtigt werden, dass er im Bußgeldverfahren berechtigterweise von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe. Der Zeugnisverweigerungsberechtigte solle vor dem inneren Konflikt bewahrt werden, gegen seine Familienangehörigen aussagen zu müssen.

Wäre es aber zulässig, im Nachhinein eine Fahrtenbuchauflage anzuordnen, so würde mittelbar doch ein Aussagedruck entstehen. Er, der Antragsteller, hätte der Maßnahme und den Gebühren, die hier im Ergebnis sogar höher seien als das für die eigentliche Ordnungswidrigkeit zu verhängende Bußgeld, nur durch Verzicht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht entgehen können. Die Fahrtenbuchauflage bewirke auch eine vollständige Aushöhlung des Zeugnisverweigerungsrechts hinsichtlich möglicher zukünftiger Verkehrsverstöße seiner Familienangehörigen.

Entscheidungsgründe

Den Eilantrag des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht mit folgender Begründung abgelehnt:

Die Fahrtenbuchauflage für das Kraftfahrzeug des Antragstellers sei rechtmäßig. Mit dem auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeug sei am 09.01.2016 um 21:05 Uhr den Verkehrsvorschriften zuwider gehandelt worden, indem der Fahrer dieses Fahrzeugs in der Innenstadt von Karlsruhe die innerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 23 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten habe.

Die weitere Voraussetzung zur Anordnung einer Fahrtenbuchauflage, dass der verantwortliche Fahrzeugführer im Zeitpunkt der Begehung des Verkehrsverstoßes nicht habe ermittelt werden können, sei ebenfalls offensichtlich erfüllt. Da der Antragsteller an der Aufklärung nicht mitgewirkt habe, sei es dem Antragsgegner nicht zuzumuten gewesen, wahllos zeitraubende, aber kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer zu betreiben.

Bei dem Verkehrsverstoß vom 09.01.2016 habe es sich auch um einen schwerwiegenden Verstoß gehandelt, der eine Fahrtenbuchauflage rechtfertige. Die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung um 23 km/h (nach Toleranzabzug) stelle einen Verkehrsverstoß dar, der zu einem Eintrag von einem Punkt im Fahreignungsregister geführt hätte.

Der Antragsteller könne als Halter eines Kraftfahrzeugs auch nicht einwenden, die Fahrtenbuchauflage sei unzulässig, weil er sich in dem vorangegangenen Ordnungswidrigkeitsverfahren auf ein Zeugnisverweigerungsrecht habe berufen dürfen. Denn die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, diene der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs und stelle eine Maßnahme der vorbeugenden Gefahrenabwehr dar.

Sie solle auf die dem Fahrzeughalter mögliche und zumutbare Mitwirkung bei der Feststellung des Führers des Kraftfahrzeuges hinwirken, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen worden sei und den Fahrzeughalter zur Erfüllung seiner Aufsichtspflichten anhalten, soweit er andere Fahrer sein Fahrzeug benutzen lasse. Der Antragsteller müsse es sich daher gefallen lassen, dass mit anderen Mitteln – eben der Fahrtenbuchauflage – in Zukunft sichergestellt werde, dass der Täter einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat im Straßenverkehr zur Rechenschaft gezogen werden könne.

Ein doppeltes „Recht“, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitsverfahren die Aussage zu verweigern und trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, bestehe nicht.

Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum  Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.

Quelle: Pressemitteilung – VG Neustadt vom 11.07.2016

Hundehaltung in der Wohnung – Einzelbetrachtung erforderlich

Amtsgericht Hannover, Urteil vom 28.04.2016 – 541 C 3858/15

Das Amtsgericht Hannover hat der Klage auf Zustimmung für die Haltung eines Mischlingshundes in einer Wohnung stattgegeben. Im Mietvertrag war geregelt, dass für jede Tierhaltung, insbesondere für Hunde und Katzen, eine vorherige Genehmigung des Vermieters eingeholt werden muss. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte zudem beschlossen, die Tierhaltung bei Neuvermietungen zu untersagen.

Sachverhalt

Die Parteien sind Mieter und Vermieter einer Wohnung in der List, die in einer Wohnungseigentumsanlage liegt. Der Mietvertrag wurde am 17.07.2014 geschlossen, im Rahmen einer zuvor erteilten Selbstauskunft teilten die Kläger mit, dass Haustiere nicht vorhanden seien. Im Mietvertrag ist geregelt, dass für jede Tierhaltung, insbesondere für Hunde und Katzen, eine vorherige Genehmigung des Vermieters eingeholt werden muss.

Bereits am 26.01.2006 hatte die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen, die Tierhaltung bei Neuvermietungen zu untersagen. Mittlerweile lebt der etwa 50 cm hohe Mischlingshund „Toby“ in der Wohnung. Die Beklagte behauptet, dass sich die Bewohner des Hauses durch den Hund gestört fühlten. „Toby“ belle und werde unangeleint im Treppenhaus geführt. Er verschmutze den Hausflur und zerkratze die Treppenstufen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht hat festgestellt, dass ein Beschluss der Eigentümerversammlung des streitbefangenen Hauses zur Untersagung des Haltens von Hunden und Katzen gegenüber Mietern unwirksam sei. Eine derartige Verabredung gelte nur im Innenverhältnis zwischen den jeweiligen Wohnungseigentümern.

Aus diesem Grunde regelt sich die Haltung eines Hundes nach den allgemeinen Regeln des Mietvertragsrechtes. Nach einer Entscheidung des BGH vom 20.03.2013 (Az: VIII ZR 168/12) ist ein generelles Haltungsverbot von Katzen und Hunden unzulässig, es ist jeweils auf den Einzelfall und die damit verbundenen besonderen Interessenlagen abzustellen.

Daher war in diesem Falle abzuwägen, inwieweit Beeinträchtigungen durch den Hund „Toby“ den Anspruch des Vermieters auf Entfernung des Hundes stützen können.

Das Gericht hat festgestellt, dass die streitbefangene 97 m² große 4-Zimmerwohnung ausreichend groß zur Haltung eines Hundes ist.

Unangemessene Belästigungen in Form von Lärm und Schmutz konnte das Gericht nach umfassender Beweisaufnahme nicht feststellen. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass es zwar zu Anfang der Hundehaltung leichtere Beeinträchtigungen durch „Toby“ gegeben habe, dieses hat sich aber mittlerweile positiv verändert. Auch eine übermäßige Abnutzung des Treppenhauses konnte durch das Gericht im Rahmen eines Ortstermins nicht festgestellt werden.

Das Gericht hat festgestellt, dass das Treppenhaus einen sehr gepflegten und sauberen Eindruck macht, gröbere Verschmutzungen waren nicht vorhanden. Zwar wurden durch das Gericht in einzelnen Stufen mehrere schwächere Kratzer festgestellt, es handelte sich hierbei aber nur um vereinzelte, nicht um zahlreiche Kratzer. Derartige Kratzer waren auch in Bereichen des Treppenhauses festzustellen, die von dem Hund nicht genutzt werden.

Das Gericht hat hierbei berücksichtigt, dass ein Treppenhaus in einem Mehrparteienhaus täglich sehr häufig frequentiert wird. Insbesondere in den Wintermonaten oder an nassen Tagen wird Split und Dreck durch das Schuhwerk hereingetragen. Der Treppenbelag unterliegt daher auf natürliche Weise der besonders gesteigerten Abnutzung. Der Treppenbelag wurde bereits im Jahr 2006 verlegt, ein Vermieter kann nicht verlangen, dass es durch die Nutzung des Treppenhauses zu keinerlei Abnutzungserscheinungen kommt. Kratzer im Treppenhausbelag sind daher in geringem Umfang hinzunehmen.

Da das Gericht keine unzumutbaren Beeinträchtigungen der Hausgemeinschaft durch die Haltung von „Toby“ festgestellt hat, besteht das Recht zur Hundehaltung als Ausdruck des Rechtes der freien Bestimmung des höchstpersönlichen Lebensbereiches.

Quelle: Pressemitteilung – AG Hannover vom 28.04.2016

BGH zum Fahrlässigkeitsvorwurf beim Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter der Wirkung von Cannabis

BGH, Beschluss vom 14. Februar 2017 – 4 StR 422/15

Zwischen den Oberlandesgerichten war bislang streitig, unter welchen Voraussetzungen der Tatrichter aus der Feststellung einer den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml mindestens erreichenden THC-Konzentration im Blut eines Fahrzeugführers ein objektiv und subjektiv sorgfalts- und damit fahrlässig ordnungswidriges Verhalten im Sinne des § 24a Abs. 2 und 3 StVG folgern darf.

Auf Vorlage des Oberlandesgerichts Oldenburg hat der u.a. für Verkehrsstrafsachen zuständige 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs nunmehr entschieden, dass ein Kraftfahrer nach vorausgegangenem bewussten Konsum von Cannabis verpflichtet ist, vor Antritt der Fahrt durch gehörige Selbstprüfung – soweit erforderlich – nach Einholung fachkundigen Rats und notfalls, sofern eine eindeutige Beurteilungsgrundlage nicht zu erlangen ist, durch Abstandnahme von der Fahrt sicherzustellen, dass er nicht unter der Wirkung einer den analytischen Grenzwert zumindest erreichenden THC-Konzentration im Blut ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt. Der Tatrichter ist auch in Fällen, in denen die Fahrt mit dem Kraftfahrzeug nicht im zeitlichen Zusammenhang mit dem vorausgegangenem Cannabiskonsum erfolgt, aus Rechtsgründen nicht gehindert, beim Fehlen gegenläufiger Beweisanzeichen allein aus der Feststellung einer entsprechenden THC-Konzentration im Blut auf ein nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten zu schließen.

Quelle: Pressemitteilung – BGH vom 04.04.2017

Mietminderung wegen Baulärms auf Nachbargrundstück?

Landgericht Berlin, Urteil vom 16.06.2016 – 67 S 76/16

Rechtfertigt Baulärm eine Minderung der Mietzahlung? Das Landgericht Berlin hat die Mietminderung für eine Wohnung, die nach dem Einzug der Mieterin von erheblichen Bauimmissionen auf einem Nachbargrundstück betroffen war, für die Dauer der Baumaßnahmen anerkannt. Das Gericht ging davon aus, dass die Parteien stillschweigend einen diesbezüglich üblichen Mindeststandard vereinbart haben.

Sachverhalt

Die Mieterin hatte den Mietvertrag über die in Berlin-Mitte gelegene Wohnung im Jahr 2000 geschlossen. Zu jener Zeit war in der Nachbarschaft eine mit Bäumen bewachsene Baulücke vorhanden gewesen. Zwischen 2013 und 2015 wurden auf diesem Grundstück eine Tiefgarage und ein Gebäude errichtet und dadurch erhebliche Bauimmissionen verursacht.

Die Mieterin verlangte nunmehr mit ihrer Klage knapp 950 € – entsprechend gut 20 % der bereits an die Vermieterin gezahlten vollen Miete für die Monate Juni 2014 bis März 2015 – zurück. Das Amtsgericht hat die Klage der Mieterin bis auf einen geringen Teilbetrag abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit ihrer Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil hatte die Mieterin nunmehr Erfolg.

Das Landgericht Berlin war der Auffassung, dass die Mieterin wegen der Bauimmissionen (Lärm, Staub und Erschütterungen nicht nur wochentags, sondern zeitweise auch am Wochenende) die Miete mindern durfte und die Höhe von geringfügig mehr als 20 % angesichts der Beeinträchtigungen angemessen sei.

Bei Vertragsschluss hätten die Mietvertragsparteien stillschweigend vereinbart, dass die Wohnung den üblichen Mindeststandard, der auch ein gesundheitlich unbedenkliches Wohnen gewährleiste, einhalte.

Zwar seien gerade in Großstädten Baumaßnahmen nicht unüblich, doch selbst in Berlin sei die ganz überwiegende Mehrzahl der Mietwohnungen von solchen Beeinträchtigungen nicht betroffen. Der mithin konkludent vereinbarte Standard sei während der Bauphase bei Weitem unterschritten worden. Auch der Umstand, dass der Vermieter über keine rechtlichen Möglichkeiten verfüge, die Beeinträchtigungen abzuwehren oder von dem Nachbarn eine Entschädigung zu verlangen, ändere nichts.

Die sogenannte „Bolzplatzentscheidung“ des BGH (VIII ZR 197/14, veröffentlicht in NJW 2015, 2177) sei nicht einschlägig. Danach seien zwar unter bestimmten Voraussetzungen zu Lasten des Mieters nach Vertragsschluss auftretende Immissionen nicht zu berücksichtigen. Jedoch habe der BGH in jenem Fall den Vertrag ergänzend ausgelegt.

Hier dagegen sei eine solche ergänzende Vertragsauslegung nicht zulässig, weil die Parteien stillschweigend vereinbart hätten, dass keine erheblichen und die Gesundheit beeinträchtigenden Bauimmissionen aufträten. Zudem habe es sich in jenem Fall um eine dauerhafte Veränderung des Wohnumfeldes gehandelt, während es hier um eine nur vorübergehende Veränderung gegangen sei.

Der Mieterin könne schließlich auch nicht vorgeworfen werden, sie habe die Möglichkeit der Bauimmissionen grob fahrlässiger übersehen und deshalb das Recht zur Minderung verloren. Zwar sei bei Mietvertragsschluss im Jahre 2000 die Baulücke vorhanden gewesen. Wenn die Mieterin damals an eine spätere Bebauung nicht gedacht habe, so könne ihr allenfalls einfache Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Dies reiche für einen Gewährleistungsausschluss aber nicht aus.

Quelle: Pressemitteilung – LG Berlin vom 17.06.2016

Maklergebühr für Wohnungsbesichtigung unzulässig

LG Stuttgart, Urteil vom 15.06.2016 – 38 O 10/16 KfH

Wohnungsmaklern ist es nicht gestattet, von Mietinteressenten eine Gebühr für die Besichtigung der begehrten Wohnung zu verlangen. Im zugrundeliegenden Fall belief sich diese „Gebühr“ auf 34,99 EUR inkl. MwSt.

Diese Praxis, so das Gericht. stellt eine Umgehung des seit Juni 2015 in Kraft getretenen Wohnungsvermittlungsgesetzes dar, wonach ausschließlich der Auftraggeber des Maklers die Kosten für die Wohnungsvermittlung zu tragen hat.